Die kürzlich abgehaltenen Wahlen in den USA offenbarten einmal mehr eine fundamentale Lektion: Es sind die Preise, die zählen. Trotz niedriger Arbeitslosigkeit und einer sich moderatierenden Inflation, standen für 80 Prozent der republikanischen Wähler wirtschaftliche Sorgen im Zentrum ihrer Entscheidung, direkt hinter dem Thema Einwanderung. Dies verdeutlicht nicht nur die Wichtigkeit der Preisgestaltung im aktuellen politischen Diskurs, sondern auch ein mögliches Umdenken bei den politischen Zielsetzungen. Wähler in den USA fühlten sich besonders durch überhöhte Preise für alltägliche Güter wie Lebensmittel und Benzin belastet, die seit Januar 2020 um 28 Prozent gestiegen waren. Diese Entwicklungen spiegeln sich auch in Großbritannien wider, wo die Preise für Nahrungsmittel, Getränke und Energie um 30 Prozent gestiegen sind, sowie in der Eurozone, wo der 'Frequent Out Of Pocket Purchases'-Index der Europäischen Zentralbank seit der Pandemie um 26 Prozent zugenommen hat. Kein Wunder, dass die Bevölkerung unter dem Preisdruck leidet. Die politischen Konsequenzen sind weitreichend. Einerseits zeigen sie, dass Menschen eher auf die Gesamtinflation als auf die Kerninflation schauen, was die Notwendigkeit einer Neubewertung der politischen Instrumentarien unterstreicht. Zentralbanken fokussieren sich oft auf die Steuerung der Kernpreise, doch ignorieren dabei die für die Menschen entscheidenden Lebensmittel- und Energiepreisveränderungen. Wäre das Gleichgewicht zwischen Nachfrage und Angebot früher erreicht worden, wäre möglicherweise der politische Unmut geringer ausgefallen. Es könnte jedoch noch tiefgreifenderer Wandel erforderlich sein. So haben sich viele Zentralbanken auf Richtlinien rund um das Taylor-Prinzip zurückgezogen, bei dem die Zinsen in Abhängigkeit von der Distanz zur Inflationszielmarke und der wirtschaftlichen Auslastung festgelegt werden. Wahlresultate deuten allerdings darauf hin, dass Stabilität des Preisniveaus bei den Wählern höher im Kurs steht als niedrige Inflationsraten oder Vollbeschäftigung. Der Ansatz des Preisniveaus als Zielgröße, wie von Professor Michael Woodford vorgeschlagen, könnte hier ein Umdenken einleiten. In diesem Konzept wird ein stetiger Anstieg des Preisniveaus angestrebt, was im Falle von Preisüberschreitungen eine robuste politische Reaktion zur Folge hätte, um die Abweichungen zu korrigieren. Ein solcher Paradigmenwechsel könnte theoretisch den Konsumenten zugutekommen und das langfristige Verbrauchervertrauen stärken. Die gegenwärtige Fixierung auf Inflationsziele hat gezeigt, dass insbesondere in wirtschaftlich dominanten Dienstleistungssektoren die Kontrolle der Arbeitskosten zur Erreichung der Zielmarken auf Kosten der realen Arbeitseinkommen geht. Seit Paul Volcker Ende der 1970er als Vorsitzender der Federal Reserve gegen die Inflation vorging, hatten Unternehmen den hauptsächlichen Nutzen aus den Produktivitätszuwächsen. Anstatt in Wachstum zu investieren, wurden Gewinne maximiert, während Investitionen reduziert und Eigenkapitalrückkäufe priorisiert wurden. Dies führte zu einer Schere zwischen Kapital- und Arbeitseinkommen und trug möglicherweise zur wachsenden sozialen Ungleichheit und zum Aufstieg populistischer Strömungen bei. Abschließend lässt sich aus den diesjährigen Wahlen eine implizite Ablehnung des aktuellen geldpolitischen Rahmens herauslesen. Trotz niedriger Arbeitslosigkeit bedeuten hohe Preise für viele Menschen eine Belastung der Reallöhne, was zu Unmut führt. Um Wählerstimmen und Relevanz in der Gesellschaft zu sichern, ist es wohl an der Zeit, dass Politiker und Zentralbanken ihre Mandate überdenken.