Der renommierte Wahlforscher Matthias Jung hat eine kritische Einschätzung von Friedrich Merz, dem Kanzlerkandidaten der Union, präsentiert. Laut Jung kämpft Merz mit einem "mäßigen Image", was teils auf seine eigene Politikgestaltung zurückzuführen ist. Seine prononciert konservative und wirtschaftsliberale Ausrichtung engt die programmatische Bandbreite der Union ein und hat zur Folge, dass viele Wähler wenig erreicht werden, so das Vorstandsmitglied der Forschungsgruppe Wahlen im "Tagesspiegel".
Dabei sieht Jung in Merz auch eine gewisse Unbeherrschtheit, die die Erfolgsaussichten der Union gefährden könnte. Dennoch schätzt er die Chancen von Merz, nach den geplanten Wahlen im Februar 2025 ins Kanzleramt einzuziehen, als hoch ein. Jung ist der Meinung, dass Merz trotz der aktuellen Herausforderungen eine reale Perspektive hat, Deutschlands nächster Bundeskanzler zu werden.
Hingegen äußerte sich Jung skeptisch über die Zukunft von Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD). Er stellt infrage, ob Scholz eine ähnliche Aufholjagd wie im Jahr 2021 gelingen könnte, da seine Beliebtheit damals nicht auf festem Fundament stand. Jung sieht auch 2025 eine Wahl, die vom "vermeintlich kleineren Übel" entschieden wird.
Robert Habeck von den Grünen könnte aus dieser Situation Vorteile ziehen. Sollten sich bürgerliche Wähler, die weder konservativ noch links eingestellt sind, an die gesellschaftlich mittig positionierten Grünen wenden, könnte sich das für Habeck auszahlen. Aktuell scheinen die Grünen viel Potenzial bei mittigen Wählern zu haben, auch wenn sie in rechten Kreisen kritisch gesehen werden.
Aktuelle Umfragezahlen des jüngsten ZDF-"Politbarometers" zeigen die Union bei 31 Prozent, während die AfD 19 Prozent, die SPD 15 und die Grünen 14 Prozent erreichen. Die FDP droht mit nur 3 Prozent am Einzug in den Bundestag zu scheitern, während das im Jahr gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bei 5 Prozent liegt.
Jung sieht für das BSW größere Herausforderungen, insbesondere in Westdeutschland. Bei den Landtagswahlen im Osten konnte die Partei leicht punkten, jedoch entscheidet bei einer Bundestagswahl der Westen, wo Wagenknecht es schwerer hat. Ob die Fünf-Prozent-Hürde gemeistert wird, bleibt abzuwarten. Insgesamt hält Jung es für unwahrscheinlich, dass BSW, FDP und Linke gleichermaßen scheitern werden.