Knapp zwei Wochen nach der Bundestagswahl haben sich Union und SPD auf einen gemeinsamen Kurs in zentralen Fragen geeinigt und planen nun konkrete Koalitionsverhandlungen. Besonders hervorzuheben ist die Einigung in der Migrationspolitik, die bislang als Hauptstreitpunkt galt. Geplant sind die Zurückweisungen von Asylbewerbern an den Grenzen in Abstimmung mit europäischen Nachbarländern, ein Schritt, gegen den die SPD zuvor Bedenken hatte. Auch im Bereich des Familiennachzugs von Flüchtlingen ist eine Einschränkung vorgesehen. Weitere Schwerpunkte der kommenden Verhandlungen sollen die Reform des Bürgergeldes und eine umfassende Unternehmenssteuerreform sein. Friedrich Merz, Unions-Fraktionschef, lobte die "kollegiale Atmosphäre" der Gespräche, während SPD-Chef Lars Klingbeil von einem "ersten wichtigen Schritt" sprach. Beide Parteien betonten, dass Verantwortung übernommen werde. CSU-Chef Markus Söder unterstrich die Harmonie der Verhandlungen mit einem lapidaren "Basst scho". Mit dem Ziel, den Koalitionsvertrag bis Ostern abzuschließen, wollen die Parteichefs ihren Spitzengremien bald die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfehlen. Diese sollen die festgelegten Projekte und die Aufteilung der Ministerien umfassen. Ein Durchbruch in Finanzfragen wurde bereits erzielt: Die Lockerung der Schuldenbremse und ein großes Sondervermögen für Infrastruktur wurden beschlossen. Die Union zeigte sich hier kompromissbereit und kam der SPD entgegen, um Einigkeit in der Migration zu erzielen. Zurückweisungen an den Landgrenzen, wo stationäre Kontrollen existieren, sollen möglich sein, jedoch nur einvernehmlich mit Nachbarstaaten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte Kontrolle an allen Grenzen angeordnet, dennoch bleibt die Einreise für Asylsuchende grundsätzlich offen. Hinsichtlich der Migration streben CDU, CSU und SPD an, diese Begrenzungen wieder gesetzlich zu verankern. Eine Überprüfung soll klären, ob Staatsangehörigkeit entzogen werden kann, wenn sie Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten gehören, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedrohen. Ein umstrittenes Gesprächsthema war das Bürgergeld. Laut Merz soll es zu einer Grundsicherung für Arbeitssuchende umgestaltet werden, verbunden mit einem vollständigen Leistungsentzug für Arbeitssuchende, die zumutbare Beschäftigungen mehrfach ablehnen. Überstundenzuschläge über tarifliche Vereinbarungen hinaus sollen steuerfrei werden. Im Rahmen einer umfassenden Entlastungspolitik planen Union und SPD eine drastische Senkung der Stromsteuer auf den minimal erlaubten Wert der EU, verbunden mit einer Halbierung der Übertragungsnetzentgelte. Dies soll den Energieverbrauch deutlich günstiger machen und Investitionen in Deutschland fördern. Eine andere Regierungsoption als eine schwarz-rote Koalition besteht derzeit nicht, da keine andere Konstellation eine Mehrheit im Bundestag hätte. Schwarz-Grün fehlt es an Stimmen, und eine Kooperation mit der AfD ist für die Union tabu.
Politik
Union und SPD stellen Weichen für Koalitionsverhandlungen
