Weichenstellung für eine neue Regierung
Die Sondierungen zwischen Union und SPD sind abgeschlossen, die Koalitionsverhandlungen stehen bevor. In einem elfseitigen Papier haben die Parteien ihre ersten gemeinsamen Pläne festgehalten – mit weitreichenden Konsequenzen für Migration, Sozialleistungen und Wirtschaftspolitik.
Ein zentraler Streitpunkt bleibt die Finanzierung der geplanten Reformen. Wirtschaftsexperten warnen bereits vor immensen neuen Schulden, und selbst innerhalb der Union gibt es Bedenken gegenüber den milliardenschweren Vorhaben.
Härtere Gangart in der Migrationspolitik
Eines der umstrittensten Themen war die Migrationspolitik. Union und SPD wollen hier einen verschärften Kurs fahren. Besonders brisant: Zurückweisungen an der Grenze sollen künftig möglich sein, wenn sich Deutschland mit seinen EU-Partnern abstimmt.
Allerdings bleibt unklar, ob dies nur im Einvernehmen mit anderen Ländern geschieht oder Deutschland auch unilateral handeln wird. CDU-Chef Friedrich Merz forderte am Wochenende, dass Grenzkontrollen massiv ausgebaut werden.
Gleichzeitig bleibt das von der Ampel eingeführte reformierte Staatsangehörigkeitsrecht bestehen: Doppelstaatsbürgerschaften für Nicht-EU-Bürger bleiben möglich, ebenso wie die verkürzten Fristen zur Einbürgerung. Geprüft werden soll hingegen, ob es rechtlich zulässig ist, Terrorunterstützern und Extremisten mit doppelter Staatsangehörigkeit den deutschen Pass zu entziehen.

Bürgergeld: Neue Bedingungen, neuer Name?
Das Bürgergeld bleibt ein emotional aufgeladenes Thema. Union und SPD haben sich darauf verständigt, das System grundlegend zu überarbeiten – inklusive einer Namensänderung.
CDU-Chef Merz kündigte an, dass es künftig einen "vollständigen Leistungsentzug" für Arbeitsfähige geben soll, die wiederholt zumutbare Arbeit verweigern. Allerdings bleibt abzuwarten, ob das Bundesverfassungsgericht diese harten Sanktionen in der geplanten Form mittragen wird.
Auch die Kontrollen gegen Sozialleistungsmissbrauch sollen ausgeweitet werden – insbesondere in Fällen, in denen Verdacht auf Betrug durch im Ausland lebende Menschen besteht.
Steuern, Mindestlohn und Wirtschaft
Finanzpolitisch wollen Union und SPD die breite Mittelschicht entlasten. Die Reform der Einkommensteuer steht im Raum, ebenso eine Erhöhung der Pendlerpauschale.
Ein brisantes Thema: Die Steuerfreiheit von Überstundenzuschlägen. Künftig sollen Mehrarbeitszuschläge steuerfrei gestellt werden – eine Forderung, die von vielen Wirtschaftsverbänden begrüßt, von Gewerkschaften aber kritisch gesehen wird.
Beim Mindestlohn bleibt die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission erhalten. Die Parteien einigen sich darauf, dass der Mindestlohn künftig sowohl an die Tarifentwicklung als auch an 60 % des Bruttomedianlohns gekoppelt wird. Auf diesem Weg soll bis 2026 ein Mindestlohn von 15 Euro erreicht werden.
Energie und Wirtschaft: Senkung der Stromkosten geplant
Ein zentraler Punkt für Unternehmen und Verbraucher ist die Senkung der Stromsteuer auf das EU-Mindestniveau. Dies soll Haushalte und Betriebe um mindestens fünf Cent pro kWh entlasten. Zudem sollen die Übertragungsnetzentgelte halbiert werden.
In der Energiepolitik steht auch der Bau neuer Kraftwerke auf der Agenda: Bis 2030 sollen bis zu 20 GW an neuer Gaskraftwerksleistung entstehen. Diese sollen nicht nur Engpässe vermeiden, sondern auch zur Preisstabilisierung beitragen.
Reformen in Renten- und Pflegepolitik
Die Rentenpolitik bleibt ein zentraler Streitpunkt. Künftig sollen alle neuen Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung eingebunden werden, sofern sie nicht bereits über ein eigenes Sicherungssystem verfügen.
Ein weiteres Vorhaben: Wer nach Renteneintritt freiwillig weiterarbeitet, soll künftig bis zu 2.000 Euro steuerfrei dazuverdienen können. Auch die Mütterrente soll ausgeweitet werden, sodass Eltern von vor 1992 geborenen Kindern künftig drei statt 2,5 Erziehungsjahre angerechnet werden.
Die Parteien wollen zudem eine "große Pflegereform" angehen. Wie diese konkret aussehen soll, bleibt allerdings noch offen.
Mietpreisbremse, Agrarsubventionen und E-Autos
Die umstrittene Mietpreisbremse soll zunächst um zwei Jahre verlängert werden. Ob sie danach ausläuft oder dauerhaft bestehen bleibt, ist Gegenstand der kommenden Koalitionsverhandlungen.
Landwirte können aufatmen: Die von der Ampel-Koalition beschlossene Streichung der Agrardiesel-Subventionen soll rückgängig gemacht werden.
Auch die Autoindustrie bekommt eine Unterstützung: Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen soll durch neue Kaufprämien wieder angekurbelt werden. Die bisherige E-Auto-Förderung war Ende 2023 abrupt gestoppt worden, was zu einem dramatischen Einbruch der Verkaufszahlen führte.
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