Inmitten eines von harscher Rhetorik und hitzigen Auseinandersetzungen geprägten US-Wahlkampfes setzten Tim Walz und J.D. Vance in ihrer TV-Debatte überraschende Akzente: Mit Sachlichkeit und respektvollem Umgang ließen sie politische Schlagabtäusche, wie sie in den letzten Jahren zur Norm geworden sind, hinter sich. Die Vizekandidaten beider Parteien lieferten eine Debatte, die nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch positiv hervorstach.
Gleich zu Beginn konfrontierte die Moderatorin Vance mit einer seiner umstrittenen Aussagen, in der er Donald Trump einst mit „Hitler“ verglichen hatte.
Der republikanische Kandidat bewahrte Ruhe und entgegnete, dass er sich damals geirrt habe, und schob die Verantwortung auf die Medien. Sein demokratischer Gegenpart, Tim Walz, griff Vance später bei der Frage nach der Wahl 2020 an, doch dieser wich geschickt aus und richtete den Fokus auf die Zukunft. Walz reagierte mit einem verschmitzten Lächeln – wissend, dass er einen wichtigen Punkt gemacht hatte.
Trotz dieser Momente blieb die Diskussion erstaunlich sachlich. Nach über anderthalb Stunden Debatte in den CBS-Studios in New York hinterließen beide Kandidaten den Eindruck, dass sie einen positiven Beitrag zur demokratischen Kultur geleistet haben – ohne die übliche Dämonisierung des politischen Gegners. Dies ist in einem Wahlkampf von solcher Intensität keine Selbstverständlichkeit.
Kontraste in Person und Politik
Inhaltlich hätten die Kandidaten kaum unterschiedlicher sein können. Walz, der bodenständige Demokrat und Trump-Kritiker, traf auf den extravaganten Vance, der als treuer Trump-Unterstützer bekannt ist.
Beide vertreten den Mittleren Westen, eine Region, die für den Ausgang der Wahl entscheidend sein könnte. Doch obwohl die Debatte von dieser ideologischen Kluft geprägt war, behielten beide Kandidaten größtenteils die Fassung.
Vance, der sich als eloquenter und sympathischer Redner erwies, präsentierte sich deutlich weniger aggressiv als erwartet. Seine klare Kommunikation und ruhige Art verliehen ihm den Hauch von Seriosität, der bislang in seiner medialen Darstellung als „Mini-Trump“ oft fehlte. Walz hingegen punktete durch inhaltliche Argumentation und Glaubwürdigkeit, vor allem bei Themen wie Klimawandel und Einwanderung.
Die Sachlichkeit als neuer Stil?
Interessant war Vances Versuch, sich von seinem früheren Image zu distanzieren. Der Yale-Absolvent hatte in der Vergangenheit mit kontroversen Äußerungen Schlagzeilen gemacht, darunter Behauptungen über Einwanderer oder Aussagen, die die Legitimität der Wahl 2020 in Frage stellten.
Doch an diesem Abend zeigte sich Vance von einer ganz anderen Seite: sachlich, zurückhaltend und darauf bedacht, möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.
Walz nutzte die Gelegenheit, um den Demokraten eine neue Strategie zu präsentieren. Er versuchte, Trump und dessen Mitstreiter nicht mit den üblichen Begriffen wie „böse“ oder „faschistisch“ zu attackieren, sondern nannte sie schlicht „weird“ – ein harmloser Begriff, der dennoch die gewünschte Distanz zu Trumps Politik signalisierte.
Dieser Ansatz soll die politische Debatte zurück auf eine sachliche Ebene bringen und den kulturellen Grabenkämpfen, die den aktuellen Wahlkampf dominieren, den Wind aus den Segeln nehmen.
Inhaltlich wenig Neues, aber viel Wirkung
Inhaltlich bot die Debatte wenige Überraschungen. Vance verteidigte Trumps außenpolitische Erfolge, während Walz betonte, dass der ehemalige Präsident wichtige geopolitische Herausforderungen, wie das Iran-Atomabkommen, unverantwortlich behandelt habe.
Auch in der Innenpolitik blieb vieles vorhersehbar: Vance punktete bei den Themen Inflation und Wirtschaft, während Walz bei Fragen zum Klimawandel und zur Einwanderung die Oberhand behielt.
Ein besonders heikles Thema war die Abtreibungsdebatte. Vance, der sich in der Vergangenheit für ein landesweites Abtreibungsverbot ausgesprochen hatte, verstrickte sich in widersprüchliche Aussagen. Dies nutzte Walz, um sich als Verfechter der Frauenrechte zu positionieren und Punkte bei den Wählerinnen zu sammeln.