Tschechien steht am Scheideweg seiner Energiepolitik: Nach Ansicht von Industrieminister Lukas Vlcek sollte das Land endgültig von russischem Öl, das über die Druschba-Pipeline geliefert wird, abrücken. Doch die Entscheidung liegt letztlich beim Betreiber der tschechischen Raffinerien, Orlen Unipetrol. Bereits seit drei Wochen fließt kein russisches Erdöl mehr nach Tschechien. Der Ursache für den Lieferstopp sind Zahlungsprobleme durch die verhängten US-Sanktionen gegen russische Banken im Zuge des Ukraine-Konflikts.
Um seine Abhängigkeit weiter zu reduzieren, setzt Orlen auf eine verstärkte Diversifizierung der Lieferquellen. Öllieferungen aus der Nordsee sowie anderen Fördergebieten sind bereits eingeplant. Die tschechische Regierung unterstützt den Prozess zudem mit 330.000 Tonnen Erdöl aus den staatlichen Reserven, was etwa 90 Tage reicht.
Eine vielversprechende Alternative stellt die Transalpine Ölpipeline (TAL) dar, die Mitteleuropa über Triest mit Erdöl versorgt. Durch das Projekt TAL-Plus wurde ihre Kapazität erhöht. Dadurch könnte Tschechien seine beiden Raffinerien bei Bedarf vollständig versorgen. Diese Entwicklung könnte die Energieabhängigkeit von Russland schneller beenden als ursprünglich angenommen. Gemeinsam mit der Slowakei und Ungarn hatte Tschechien vorübergehend eine Ausnahmegenehmigung bei den EU-Sanktionen erhalten, um den Übergang zu alternativen Versorgungswegen zu erleichtern.
In der Vergangenheit war die im sozialistischen Zeitalter errichtete Druschba-Pipeline das Rückgrat der tschechischen Ölversorgung. Doch nun, in Zeiten geopolitischer Spannungen, scheint die Energiewende unausweichlich.