Kaum ein Thema polarisiert die USA derzeit so sehr wie die Frage nach der Unabhängigkeit der Federal Reserve. Mit der Aussicht auf Donald Trumps mögliche zweite Amtszeit wächst die Sorge, dass die Zentralbank zur Erfüllungsgehilfin politischer Interessen werden könnte.
Trump hat schon während seiner ersten Präsidentschaft wiederholt den Vorsitzenden der Federal Reserve (Fed), Jerome Powell, scharf kritisiert und drängt seit Langem auf eine lockere Zinspolitik zur Ankurbelung der Wirtschaft.
Nun legt er nach: Eine starke Einflussnahme auf die Fed-Entscheidungen, um den Leitzins rasch und aggressiv zu senken, wäre laut Insidern bei seiner Rückkehr ins Weiße Haus fest eingeplant.
Zinssenkungen auf Konfrontationskurs
Der Konflikt zwischen Trump und der Fed zeichnet sich schon jetzt deutlich ab. Im September 2024 senkte das Federal Open Market Committee den Leitzins um moderate 0,5 Prozent, während Trump eine deutlich stärkere Absenkung forderte.
Fed-Präsident Musalem kontert jedoch: Ein zu schneller und drastischer Zinsschritt könnte die Inflation wieder anheizen und die wirtschaftliche Stabilität gefährden.
In seiner Rede an der New York University erklärte Musalem: „Ein zu frühes Nachgeben birgt höhere Risiken als ein vorsichtiger Ansatz.“
Diese Meinungsverschiedenheit verdeutlicht das Dilemma, in dem die Fed steckt: Die Balance zwischen einer stabilisierenden Geldpolitik und dem Druck, politischen Vorgaben zu folgen, wird immer schwieriger zu halten.
Unabhängigkeit der Fed: Ein Eckpfeiler in Gefahr?
In den USA ist die Unabhängigkeit der Fed ein grundlegendes Prinzip, um die Geldpolitik vor kurzfristigen politischen Einflüssen zu schützen. Die Fed hat die Aufgabe, durch eine autonome Steuerung der Zinspolitik das wirtschaftliche Gleichgewicht zu wahren – fernab von parteipolitischen Zielen.
Historische Erfahrungen, wie der politische Druck auf Fed-Chef Arthur Burns in den 1970ern, haben gezeigt, dass solche Eingriffe zu unkontrollierter Inflation führen können.
Ein Wiederaufleben dieser Zeiten wäre laut Experten nicht unwahrscheinlich. Trump hat in der Vergangenheit angedeutet, dass er durchaus bereit wäre, einen nicht loyalen Fed-Vorsitzenden abzusetzen – ein Schritt, der zwar rechtlich möglich, jedoch politisch und wirtschaftlich heikel wäre.
Der Peterson-Institut-Ökonom Warwick McKibbin warnt: „Eine Fed, die sich politischen Vorgaben unterordnet, könnte immense wirtschaftliche Schäden verursachen.“
Wirtschaftliche Risiken einer „Polit-Fed“
Die potenziellen Folgen von Trumps Plänen für die Zinspolitik könnten gravierend sein. Eine vom Peterson-Institut veröffentlichte Analyse zeigt, dass eine politische Einflussnahme auf die Fed die Inflation in die Höhe treiben und das Vertrauen in die US-Wirtschaft nachhaltig erschüttern könnte.
Schätzungen gehen davon aus, dass eine unterminierte Fed die USA im Jahr 2026 bis zu 304 Milliarden US-Dollar kosten könnte – Kapital, das wohl in wirtschaftlich stabilere Länder wie Kanada oder Australien abwandern würde.
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McKibbin bringt es auf den Punkt: „Was an ausländisches Kapital verloren geht, wird in Zukunft fehlen, um das Wachstum der amerikanischen Wirtschaft zu stützen.“ Besonders beunruhigend ist, dass solche wirtschaftlichen Verluste nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig die US-Märkte belasten könnten.
Anleger alarmiert: Drohende Volatilität am Aktienmarkt
Die US-Börsen reagieren bereits spürbar auf die politischen Spannungen. Investoren zeigen sich besorgt darüber, dass eine politische Einflussnahme auf die Fed für eine höhere Volatilität sorgen könnte. Besonders Aktien aus dem Finanz- und Technologiesektor stehen unter Beobachtung, da sie empfindlich auf geldpolitische Schwankungen reagieren.
Trumps Forderungen, die Fed stärker zu kontrollieren, könnten daher potenziell für Unsicherheit an den Märkten sorgen und die Kursentwicklung in den kommenden Jahren maßgeblich beeinflussen.
Ein Blick auf die Marktreaktionen zeigt, dass der Einfluss der Politik auf die Zentralbank viele Anleger in Alarmbereitschaft versetzt hat. „Die Unsicherheit über die künftige Fed-Politik wird zum Risiko für den US-Markt,“ erklärt ein Analyst von Goldman Sachs.
Das nächste Kapitel in der US-Zinspolitik
Ob Trump seine Pläne umsetzen kann und welchen Einfluss dies auf die Fed und ihre geldpolitische Unabhängigkeit hätte, bleibt ungewiss. Klar ist jedoch, dass eine mögliche Wiederwahl Trumps eine neue Ära in der Beziehung zwischen Politik und Zentralbank einläuten könnte.
Für die Federal Reserve und deren Präsidenten geht es in den kommenden Monaten um weit mehr als die nächste Zinsentscheidung: Es geht um die Verteidigung ihrer Unabhängigkeit und darum, ob sie sich weiterhin auf ihrem Kernauftrag konzentrieren kann, ohne politische Einmischung in Kauf nehmen zu müssen.