Donald Trump setzt Wolodymyr Selenskyj massiv unter Druck: Ein milliardenschwerer Rohstoffdeal, gepaart mit Drohungen, Waffenlieferungen einzustellen, soll die Ukraine zu wirtschaftlichen Zugeständnissen zwingen. Doch das Kalkül des US-Präsidenten könnte riskanter sein, als es auf den ersten Blick scheint.
Ein Knebelvertrag für Kiew?
Vergangene Woche reiste US-Finanzminister Scott Bessent nach Kiew – im Gepäck ein brisanter Vertragsentwurf: Die USA fordern einen 50-prozentigen Anteil an den Einnahmen aus dem Abbau Seltener Erden in der Ukraine sowie ein Vetorecht bei der Lizenzvergabe.
Die Gegenleistung: US-Sicherheitsgarantien im Falle eines Friedensabkommens mit Moskau.
Washington ging offenbar davon aus, dass Selenskyj kaum eine andere Wahl haben würde, als zu unterschreiben. Doch der ukrainische Präsident lehnte ab. Zu groß sei die Gefahr, dass das Land de facto wirtschaftlich entmündigt wird. Stattdessen sprach sein Umfeld von einem „kolonialen Abkommen“, das nationale Ressourcen verscherbeln würde.
Die Reaktion aus den USA folgte prompt: Trump persönlich bezeichnete Selenskyj als „Diktator“, unterstellte ihm, den Krieg mit Russland begonnen zu haben, und bezifferte die US-Hilfen an die Ukraine auf 350 Milliarden Dollar – eine grobe Übertreibung, denn die tatsächlichen Beträge liegen bei etwa der Hälfte.
Doch Trumps Vorgehen hat System: Der ehemalige und womöglich zukünftige Präsident sieht Außenpolitik in erster Linie als Geschäft. Er will, dass sich die Ukraine die US-Unterstützung „erkauft“ – und stellt Selenskyj vor eine Zerreißprobe.
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Warum Trump den Frieden mit Russland verhandeln will
Noch besorgniserregender als die wirtschaftliche Erpressung Kiews ist jedoch ein anderer Punkt: Die Ukraine wurde von den Friedensgesprächen zwischen den USA und Russland ausgeschlossen.
Diese fanden vergangene Woche in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad statt, wo US-Außenminister Marco Rubio und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow erste Eckpunkte eines Drei-Phasen-Plans festlegten:
- Waffenstillstand
- Präsidentschaftswahlen in der Ukraine
- Langfristiges Friedensabkommen mit Sicherheitsgarantien
Dass Trump Moskau nun als gleichwertigen Verhandlungspartner anerkennt, ist eine drastische Kehrtwende in der bisherigen US-Politik. Für Russland bedeutet dies die Rückkehr auf die weltpolitische Bühne, für Kiew hingegen einen gefährlichen Kontrollverlust über das eigene Schicksal.
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Denn der US-Präsident macht keinen Hehl daraus, dass er Selenskyj zum Einlenken zwingen will. Sein Statement auf seinem Anwesen Mar-a-Lago war an Deutlichkeit kaum zu überbieten:
„Ihr seid seit drei Jahren dabei. Ihr hättet nie damit anfangen sollen. Ihr hättet einen Deal machen können.“
Trump deutet damit an, dass die Ukraine für den Krieg selbst verantwortlich sei – und dass sie sich Russland besser früher als später beugen sollte.
Kann sich Kiew auf Europa verlassen?
In Europa hat Trumps Vorgehen einen Schock ausgelöst. Innerhalb weniger Tage rief Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bereits zwei Notfalltreffen der EU-Staaten ein. Dabei geht es um zwei zentrale Fragen:
- Wie kann Europa eine eigenständige Sicherheitsarchitektur für die Ukraine aufbauen?
- Wie schnell kann die EU eigenständig militärische Unterstützung bereitstellen?
Bisher hat sich Europa weitgehend auf die USA verlassen. Doch das ändert sich nun rasant. Die EU arbeitet derzeit an einem neuen Waffenpaket im Wert von sechs bis zehn Milliarden Euro – eines der größten in der Geschichte der Union. Zudem gibt es Pläne für eine Art „Sicherheitsfonds“, der langfristige Militärhilfen garantieren soll.
Doch reicht das aus?
Der ukrainische Analyst Andrew Perpetua sieht die Lage entspannt. Seiner Meinung nach hat Kiew genügend Ressourcen, um das Jahr 2025 weitgehend ohne US-Hilfen zu überstehen. Der Militärexperte Thomas Theiner ist skeptischer: Sollte Trump sämtliche Lieferungen stoppen und die Sanktionen gegen Russland lockern, hätte die Ukraine maximal noch zwölf bis 18 Monate Durchhaltevermögen.
Allerdings ist es für Trump gar nicht so einfach, die Russland-Sanktionen im Alleingang aufzuheben. Alexandra Prokopenko vom Carnegie Russia Eurasia Center betont:
„Trump kann sie nicht im Alleingang beenden.“
Zudem bleibt fraglich, ob der US-Kongress – selbst unter republikanischer Mehrheit – eine komplette Abkehr von der Ukraine-Politik durchwinken würde.
Wird die Ukraine zum Spielball geopolitischer Interessen?
Die nächsten Monate werden entscheidend sein. Während Trump Kiew unter Druck setzt, wächst in Europa die Einsicht, dass man sich nicht länger auf Washington verlassen kann. Sollte Selenskyj standhaft bleiben und sich die EU tatsächlich neu aufstellen, könnte das Trumps Plan ins Wanken bringen.
Doch falls sich Europa spaltet oder die Ukraine wirtschaftlich und militärisch zu stark geschwächt wird, könnte Trump am Ende doch die Bedingungen diktieren – und damit Russland die Tür zu einem Friedensabkommen öffnen, das vor allem Moskau nutzt.
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