Die Zukunft der Mobilität sollte anders aussehen: Keine Autos mehr im Besitz, stattdessen flexible Nutzung durch Carsharing. So zumindest lautete die Vision, als vor Jahren Hersteller wie BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen Millionen in den Aufbau eigener Carsharing-Dienste investierten.
Doch während die meisten Autobauer diesen Traum aufgegeben haben, bleibt ein Akteur beharrlich: Stellantis. Der Mutterkonzern von Marken wie Opel, Peugeot und Fiat hält unbeirrt an seinem Carsharing-Modell fest und hat große Ziele.
Mit Free2Move, dem eigenen Mobilitätsdienst, will Stellantis zum Marktführer aufsteigen.
Ambitioniertes Ziel: Mehr als eine Verzehnfachung des Umsatzes
Seit Stellantis vor zwei Jahren den Carsharing-Anbieter ShareNow von BMW und Mercedes-Benz übernahm, arbeitet das Unternehmen intensiv daran, den Dienst neu zu positionieren.
Die Vision: Free2Move soll bis 2030 einen Umsatz von 2,8 Milliarden Euro erzielen – über zehnmal mehr als der derzeitige Umsatz von rund 250 Millionen Euro.
„Wir wollen bis 2025 wieder wachsen und die Fahrzeugzahl auf bis zu 20.000 erhöhen“, erklärt Brigitte Courtehoux, Leiterin von Free2Move.
Ein ambitionierter Plan, der vor allem in einem Marktumfeld, das Carsharing zunehmend skeptisch sieht, wie eine Herausforderung wirkt.
Der schwierige Markt: Prognosen und Realität klaffen weit auseinander
Noch vor sieben Jahren sah es ganz anders aus: Unternehmensberater prognostizierten dem Carsharing-Markt ein enormes Potenzial, das bis 2030 die Nutzung von Neuwagen weltweit prägen sollte.
McKinsey schätzte damals, dass der Markt für Carsharing und ähnliche Dienste global auf zwei Billionen Dollar jährlich anwachsen würde.
Doch die Realität fällt ernüchternd aus: Der aktuelle Marktwert wird auf gerade einmal 12,5 Milliarden Euro geschätzt, und Analysten von Statista erwarten nur ein moderates jährliches Wachstum von drei Prozent.
Ridehailing-Dienste wie Uber und Bolt hingegen erreichen heute einen Umsatz von 155 Milliarden Euro und zeigen mit einem jährlichen Wachstum von über fünf Prozent deutlich dynamischere Zahlen. Vor diesem Hintergrund bleibt die Frage offen, ob Free2Move sich tatsächlich als profitabler Mobilitätsdienst etablieren kann.
„Keine Emotion, kaum Marge“: Die harten Seiten des Carsharings
Ein wesentliches Problem des Carsharings ist die geringe Marge, die im Vergleich zum klassischen Autoverkauf deutlich weniger Gewinn verspricht. Der Unternehmensberater Vincent Rodewyk beschreibt das Dilemma treffend:
„Mobilitätsdienste lassen sich nur über den Preis vermarkten, Emotionen spielen für den Nutzer kaum eine Rolle.“
Damit bleibt Carsharing im harten Wettbewerb der Mobilitätsdienste meist auf reine Kostenoptimierung angewiesen – eine Herausforderung, die viele Hersteller wie BMW, Mercedes und Volkswagen bereits aufgegeben haben.
Stellantis setzt dennoch auf den Erfolg von Free2Move und plant, sein Angebot auch abseits großer Städte auszuweiten. Das Unternehmen kooperiert bereits mit über 3000 Partnern und stellt Kunden eine Flotte von über 10.000 Fahrzeugen in 16 Städten zur Verfügung – von Berlin über Rom bis Washington.
Free2Move bietet zudem Mietwagenoptionen in ländlichen Gebieten an und plant, die Flotte auf bis zu 20.000 Fahrzeuge zu erweitern.
Wettbewerb der Mobilitäts-Apps: Free2Move im Vergleich zu Sixt und Uber
Doch Carsharing allein reicht nicht aus, um in der neuen Mobilitätslandschaft zu bestehen. Auch Sixt bietet in Zusammenarbeit mit Miles und weiteren Partnern Mobilitätsdienste an, von Taxidiensten bis hin zu E-Scootern und Leihfahrrädern.
Die Sixt-App gilt inzwischen als eine der umfassendsten Mobilitätsplattformen in Deutschland und könnte die Erwartungshaltung der Nutzer an flexible und einfache Mobilitätslösungen prägen.
Auch Uber steigt in den Mietwagensektor ein und erweitert so sein Angebot. Free2Move könnte bei einer solchen Konkurrenz ins Hintertreffen geraten.
„Wir haben bisher keine Pläne für Ridehailing, aber Fahrräder und E-Scooter könnten in Zukunft Teil unseres Angebots werden“, so Courtehoux.
Dennoch scheint der Weg zu einer umfassenden Mobilitätsplattform für Free2Move noch lang und mit vielen Hürden verbunden.
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Kann Carsharing auf dem Land funktionieren?
Stellantis verfolgt mit Free2Move eine ungewöhnliche Strategie: Neben den städtischen Ballungsräumen richtet sich das Angebot auch an weniger urbane Gebiete, wo Carsharing bislang kaum vertreten ist.
Free2Move arbeitet hier mit lokalen Händlern und Vermietern zusammen und bietet eine größere Fahrzeugauswahl an, als es in Städten üblich ist. Die Frage bleibt jedoch, ob die Nachfrage außerhalb der Städte ausreicht, um das Modell wirtschaftlich tragfähig zu machen.
In Deutschland zeigt sich zudem ein deutliches Stadt-Land-Gefälle bei der Autonutzung: Während in Berlin die Autodichte sinkt und mittlerweile nur noch 329 Fahrzeuge pro 1000 Einwohner zählt, liegt der bundesweite Durchschnitt bei 580 Autos pro 1000 Einwohner.
Carsharing könnte hier eine Lücke füllen, wenn es gelingt, die Nutzer von den Vorteilen flexibler Mobilität zu überzeugen – ohne die hohen Fixkosten des eigenen Autos.