Die Deutschen und ihr Trinkgeld – eine komplizierte Beziehung. Die meisten peilen zehn Prozent an, doch oft sind es nur ein paar aufgerundete Centbeträge, die am Ende auf dem Tisch landen. In der Gastronomie ist das Trinkgeld jedoch nicht nur eine nette Geste, sondern für viele Kellner und Kellnerinnen eine essenzielle Einkommensquelle.
„In Deutschland fällt es den Gästen oft schwer, angemessen Trinkgeld zu geben, selbst wenn sie sehr zufrieden waren“, erklärt Marie-Anne Wild, Mitinhaberin des Restaurants Tim Raue in Berlin.
Anders als in Italien oder Frankreich, wo Trinkgeld fast schon zur Etikette gehört, zeigt sich in Deutschland eine gewisse Zurückhaltung – und nicht selten eine Unsicherheit.
Was steckt hinter dem Trinkgeld?
Interessanterweise ist das Trinkgeld oft weniger Ausdruck von Zufriedenheit, als man denken könnte. Der Soziologe Philipp Wandelt beschreibt es als „sozialen Austausch“ und nicht als direkte Bezahlung für guten Service.
Trinkgeld hat also mehr mit gesellschaftlichen Erwartungen zu tun als mit der Qualität des Essens oder der Freundlichkeit der Bedienung. Deshalb geben manche sogar bei schlechtem Service etwas – aus sozialer Pflicht, nicht aus Dankbarkeit.
Im Ausland wird es noch komplizierter
Wer als Deutscher ins Ausland reist, steht vor noch größeren Hürden. In den USA gehört Trinkgeld fast schon zur Grundausstattung des Lohns, während man in Japan mit Trinkgeld eher für Verwirrung sorgt.
„In China wird gar kein Trinkgeld erwartet, was das Ganze viel entspannter macht“, erzählt unsere Korrespondentin in Shanghai.
Doch in vielen europäischen Ländern wird erwartet, dass man mindestens fünf bis zehn Prozent auf den Rechnungsbetrag aufschlägt – auch wenn es in der Heimat vielleicht nicht so üblich ist.
Die Technik greift ein
Moderne Bezahlsysteme schaffen in Deutschland mittlerweile Abhilfe: Digitale Terminals fragen automatisch nach Trinkgeld, bevor man überhaupt die Rechnung begleicht.
Mit einem Klick kann man zwischen verschiedenen Prozentsätzen wählen – bequem und ohne das Risiko, sich zu „vertippen“. Erste Erfahrungen zeigen, dass diese Methode tatsächlich zu mehr Trinkgeld führt, denn das Display erinnert uns daran, wie viel „angebracht“ ist.
Am Ende entscheidet das Gefühl
Auch wenn digitale Systeme bald die Trinkgeld-Frage etwas leichter machen könnten, bleibt eines klar: Trinkgeld ist und bleibt eine persönliche Entscheidung. Und egal, ob großzügig oder knapp bemessen – es ist immer auch eine Geste der Wertschätzung. Was vielleicht erklärt, warum manche Menschen sogar einem Roboter Trinkgeld geben würden, wenn die Umstände stimmen.
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