Einschalten, zurücklehnen, laufen lassen – diese Routine hat das klassische Fernsehen über Jahrzehnte geprägt. Und auch wenn Streaming-Giganten wie Netflix oder Prime Video die Medienwelt auf den Kopf gestellt haben, scheint das Live-TV in Deutschland wider Erwarten robust.
Acht von zehn Deutschen greifen immer noch vorwiegend zum traditionellen Fernsehen, wie der „Media Consumer Survey 2024“ von Deloitte zeigt. Die Zahlen sprechen für sich: Obwohl der Anteil seit 2021 leicht rückläufig ist, sind es immer noch stolze 81 Prozent, die dem Live-Format treu bleiben.
Warum hat das klassische Fernsehen in Zeiten der Mediatheken und Streaming-Abos immer noch so viel Anziehungskraft?
„Das klassische Fernsehen bleibt relevant und spielt seine Stärken aus“, erklärt Deloitte-Medienexpertin Sophie Pastowski. Der Live-Charakter, die Einfachheit des Formats und die Möglichkeit, das Programm einfach nebenbei laufen zu lassen, machen das Format konkurrenzfähig.
In einer Zeit, in der die Zuschauer ständig die Qual der Wahl haben und mühsam durch Mediatheken scrollen müssen, bietet das lineare Fernsehen eine erfrischende Abwechslung: weniger Entscheidungen, weniger Aufwand.
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Altersunterschiede: Ein Format für die ältere Generation?
Natürlich gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Fast 95 Prozent der über 70-Jährigen schalten mindestens einmal pro Woche das Live-TV ein, während bei den 14- bis 29-Jährigen nur die Hälfte noch regelmäßig zum Fernseher greift. Auch die allgemeine Fernsehdauer ist gesunken.
Der Anteil des klassischen Fernsehens am gesamten Videokonsum ist von 71 Prozent vor drei Jahren auf 60 Prozent gesunken, und die durchschnittliche Sehdauer – einschließlich Streaming – ist auf 194 Minuten täglich gefallen. Damit liegen die Werte sogar unter dem Vor-Corona-Niveau von 2019.
Streaming: Wachstumsflaute nach dem Boom
Während Streaming-Dienste in der Corona-Zeit einen regelrechten Boom erlebten, zeigt sich das Wachstum hier inzwischen deutlich verlangsamt. Laut der Deloitte-Studie verharrt die Nutzung von Diensten wie Netflix und Prime Video bei knapp zwei Dritteln der deutschen Haushalte.
Der Markt hat ein Plateau erreicht, und die Anbieter suchen verzweifelt nach neuen Wegen, um ihre Kundenzahlen zu steigern. Um die Abos preislich attraktiv zu halten, setzen einige Streaming-Dienste inzwischen auf Werbung im Programm – ein Schachzug, der allerdings nicht bei allen Nutzern auf Begeisterung stößt.
„Das enorme Wachstum der Video-on-Demand-Dienste ist mittlerweile abgeebbt“, konstatiert Pastowski. Laut Umfrage kommen deutsche Streaming-Haushalte auf durchschnittlich 2,5 Abos.
Die Anbieter kämpfen um neue Kunden, wobei die Preissensibilität steigt und das Werbeangebot wächst. Der Reiz des neuen Mediums hat etwas an Glanz verloren, während das Live-TV seinen festen Platz in der Mediennutzung verteidigt.
Unerwartetes Comeback: Der Teletext als treuer Begleiter
Es scheint, als würden die Deutschen nicht nur am Live-TV, sondern auch an einem der traditionsreichsten Medien-Features festhalten: dem Teletext.
Eine Untersuchung des Verbraucherportals Verivox zeigt, dass rund die Hälfte der Bundesbürger weiterhin regelmäßig den Teletext nutzt – und das generationsübergreifend. Überraschenderweise greifen sogar knapp 24 Prozent der unter 30-Jährigen noch zum Teletext, bei den über 70-Jährigen sind es hingegen nur 13 Prozent.
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„Der Teletext wird generationsübergreifend genutzt“, bestätigt Jörg Schamberg, Telekommunikationsexperte von Verivox. Während die heutigen Nachrichtenportale oft von schnell wechselnden, teils polarisierenden Inhalten überflutet sind, bietet der Teletext eine übersichtliche und konzentrierte Informationsquelle.
Die klare, reduzierte Darstellung ohne visuelle Ablenkung und eine strenge Themenauswahl machen ihn besonders für Nutzer attraktiv, die sich schnell und kompakt informieren möchten.
Kein Ende in Sicht für das lineare Fernsehen
Obwohl der Videokonsum insgesamt abnimmt, beweist das klassische Fernsehen eine beeindruckende Stabilität in einer sonst von Digitalisierung geprägten Medienwelt.
Mit seiner simplen Struktur und dem vertrauten Gefühl des „Berieselns“ hat es in Deutschland immer noch eine feste Anhängerschaft – eine Tatsache, die im zunehmend gesättigten und fragmentierten Medienmarkt umso mehr überrascht.