Kasachstan – das Land, das die meisten von uns wahrscheinlich eher mit endlosen Steppen und Öl in Verbindung bringen – steht plötzlich im Zentrum einer brisanten politischen Diskussion. Und zwar mit einem Satz, der ordentlich Staub aufwirbelt:
„Russland ist militärisch unbesiegbar.“
Diese Aussage stammt von Kassym-Schomart Tokajew, dem Präsidenten Kasachstans, und richtete sich direkt an Olaf Scholz. Das sitzt.
Olaf Scholz, gerade auf diplomatischer Mission, hatte sich sicherlich ein anderes Gespräch erhofft. Schließlich geht es um mehr als nur Rohstofflieferungen. Scholz möchte den Ukraine-Krieg beenden und spricht sich seit Wochen für Friedensgespräche aus – auch mit Russland. Dass Tokajew allerdings so offensiv den russischen Einfluss betont, dürfte ihm dabei kaum in die Karten spielen.
Kasachstan in der Zwickmühle
Man muss Tokajews Position verstehen: Kasachstan teilt eine endlos lange Grenze mit Russland und steht traditionell eng mit der Großmacht im Norden.
Dennoch möchte Tokajew sein Land auch Richtung Westen öffnen – Deutschland ist da ein wichtiger Partner, besonders bei Energiefragen. Öl, Gas, vielleicht bald auch grüner Wasserstoff – alles Themen, bei denen Scholz und Tokajew gemeinsame Interessen haben.
Aber die Nähe zu Russland ist spürbar, und Tokajew versucht, einen schwierigen Balanceakt zu meistern. Einerseits die starke Bindung an Russland, andererseits die wirtschaftlichen Verbindungen zum Westen.
Und genau in dieser Situation spricht er von der „Unbesiegbarkeit“ Russlands. Ein kluger Schachzug, um Moskau zu beruhigen? Oder doch eine Überzeugung, die mehr über Kasachstans geopolitische Ausrichtung verrät?
Scholz bleibt pragmatisch
Während Tokajew auf Russlands Stärke pocht, bleibt Scholz auf Kurs: Unterstützung für die Ukraine, klare Worte gegen die russische Aggression. Aber auch er sieht die Chance für Verhandlungen. Ein schwieriger Spagat, vor allem, wenn man bedenkt, dass die erste Friedenskonferenz in der Schweiz ohne Russland stattfand und von China boykottiert wurde.
Jetzt soll es eine neue Konferenz geben – dieses Mal mit Russland am Tisch. Doch das „wie“ und „wann“ sind noch vollkommen offen.
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Tokajew hingegen macht deutlich: Ohne Waffenstillstand wird es keinen Frieden geben. Erst die Waffen niederlegen, dann reden – das ist seine Formel. Scholz dürfte das anders sehen, schließlich fordert die Ukraine den vollständigen Abzug russischer Truppen, bevor überhaupt an Verhandlungen zu denken ist.
Öl, Gas und mehr – der wahre Grund des Besuchs
Abseits der großen geopolitischen Bühne ging es beim Scholz-Besuch vor allem ums Geschäft. Kasachstan ist der drittgrößte Öllieferant Deutschlands, und das wird sich wohl in Zukunft noch intensivieren.
Der Ausfall russischer Lieferungen nach dem Ukraine-Krieg hat Schwedt in Brandenburg hart getroffen – Kasachstan springt ein und füllt die Lücke. Für Scholz ein entscheidender Punkt seiner Reise: sicherstellen, dass die Lieferungen nicht nur weiterlaufen, sondern ausgebaut werden. Auch Gas und Wasserstoff könnten langfristig interessant werden.
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit ist solide, auch wenn Kasachstan wegen seiner autoritären Führung immer wieder in der Kritik steht.
Menschenrechte? Pressefreiheit? Alles Themen, die Tokajew gern zur Seite schiebt. Eine geplante gemeinsame Pressekonferenz wurde kurzerhand abgesagt – ein unmissverständliches Zeichen, dass unangenehme Fragen nicht willkommen waren.
Ein Balanceakt mit vielen Unbekannten
Tokajews markante Aussage über Russlands militärische Stärke und Scholz' Bemühungen um Frieden sind zwei Seiten einer komplexen Medaille. Die diplomatischen Manöver zwischen Kasachstan,
Deutschland und Russland werden wohl noch eine Weile andauern, und es bleibt abzuwarten, ob Scholz einen Durchbruch bei den Friedensverhandlungen erzielen kann. Klar ist aber: Tokajew spielt auf Zeit, und Kasachstan sitzt damit weiterhin zwischen den Stühlen.
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