Der Industriekonzern Thyssenkrupp hat Änderungen in seinem Vorstand angekündigt. Der bisherige Finanzvorstand Klaus Keysberg scheidet aus dem Unternehmen aus und wird durch Jens Schulte ersetzt. Der zukünftige CEO Miguel López wird zudem mit einem erweiterten Vorstandsteam arbeiten, das mehr operative Verantwortung übernehmen wird. Diese Entscheidung markiert eine Abkehr von der bisherigen Holding-Strategie des Unternehmens. Allerdings stieß die Entscheidung bei der Gewerkschaft IG Metall auf Kritik. Bemerkenswert ist, dass sich die Eigentümerseite über die Stimmen der Arbeitnehmerseite hinweggesetzt hat - ein Novum in der Geschichte des Unternehmens.
Die Aktie von Thyssenkrupp verzeichnete zunächst einen Verlust von über einem Prozent. Laut Analyst Christian Obst von der Baader Bank macht es zwar Sinn, dass ein Unternehmen in der Größe von Thyssenkrupp ein Vorstandsteam mit fünf Mitgliedern hat, allerdings mache es die Entscheidungsfindung zur Steigerung der Profitabilität oder zur Konzernstruktur nicht einfacher, wenn man gegen die Gewerkschaft arbeite.
Der Aufsichtsrat des Konzerns ernannte Jens Schulte am Mittwochabend zum neuen Finanzchef. Schulte bekleidet derzeit das Amt bei der Schott AG und wird voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres zu Thyssenkrupp wechseln.
Des Weiteren wird der Vorstand von Thyssenkrupp erweitert. Volkmar Dinstuhl, der zuvor das inzwischen aufgelöste Segment Multi Tracks leitete und für Zu- und Verkaufsprojekte zuständig war, wird ab dem 1. Januar ebenfalls dem Vorstand angehören. Ebenso wird Ilse Henne, derzeit im Vorstand der Handelssparte tätig, dem Vorstand beitreten. Alle neuen Verträge haben eine Laufzeit von drei Jahren.
Die Erweiterung des Vorstands wurde von den Arbeitnehmervertretern scharf kritisiert. Es ist das erste Mal in der Firmengeschichte, dass Vorstände trotz Ablehnung der Arbeitnehmerseite ernannt wurden, heißt es in einer Pressemitteilung der IG Metall.
Laut Thyssenkrupp soll der Vorstand künftig stärker auf die operative Leistung und die Weiterentwicklung des Portfolios ausgerichtet sein. Bisher waren die drei Querschnittsfunktionen Strategie, Personal und Finanzen im Vorstand vertreten. Mit der Neuausrichtung wird jeder Sparte von Thyssenkrupp jeweils ein Vorstandsmitglied zugeordnet. Der neue CEO Miguel López übernimmt das Stahlgeschäft und die neue Sparte Decarbon Technologies, Volkmar Dinstuhl wird für Automotive Technology zuständig sein, Ilse Henne wird das Handelsgeschäft und Marine Systems verantworten, und Personalvorstand Oliver Burkhard wird weiterhin für Marine Systems verantwortlich sein.
Die Arbeitnehmerseite bezeichnete die Entscheidung als "Kulturbruch in der Mitbestimmung" und "Zäsur". Die Anteilseigner und der neue CEO López hätten mit dieser Entscheidung gebrochen und würden damit den bisher ausgewogenen und konstruktiven Dialog im Aufsichtsrat nachhaltig schädigen. Der Alleingang gegen die vollständige Arbeitnehmerseite zeige, dass die Anteilseigner kein Interesse an einer belastbaren Zusammenarbeit mehr hätten.
Besonders kritisiert wird von der Arbeitnehmerseite, dass die Erweiterung des Vorstands im Widerspruch zu den laufenden Sparprogrammen stehe. Es wird betont, dass eine Vielzahl von Vorstandsmitgliedern das Unternehmen nicht erfolgreich führen könne, wenn es gegen die eigenen Mitarbeiter arbeitet.
In den letzten Jahren hatte Thyssenkrupp unter der Ägide der ehemaligen CEO Martina Merz eine "Group of Companies"-Strategie verfolgt, bei der die Sparten autonom agierten und Thyssenkrupp eher als Holding fungierte. Allerdings war der Konzern in dieser Zeit eher zögerlich bei der Weiterentwicklung seiner Geschäfte und fiel vor allem durch Verkäufe auf, wie beispielsweise der Aufzugsparte.
Der neue CEO López verspricht sich von einer zentraleren Führung der Segmente einen besseren Zugriff auf die Geschäfte. Ziel ist es, durch die laufenden Sparprogramme die Kosten signifikant zu senken.
Im letzten Geschäftsjahr 2022/23 rutschte Thyssenkrupp tief in die Verlustzone und musste Milliarden auf das schwächelnde Stahlgeschäft abschreiben. Das Unternehmen plant einen Teilverkauf dieser Sparte und hat dazu Gespräche mit dem tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky geführt. Allerdings soll dieser zuletzt zögerlich gewesen sein und keinen Zeitdruck sehen.
Außerdem plant Thyssenkrupp die Abspaltung von Marine Systems und ist auf der Suche nach Partnern oder neuen Eigentümern für Teile des Anlagenbaus sowie des Autozuliefergeschäfts.