27. September, 2024

Wirtschaft

Thurston Moore: Vom New Yorker Cool zur Gelassenheit von Barnes

Thurston Moore: Vom New Yorker Cool zur Gelassenheit von Barnes

Kaum jemand prägte den experimentellen Rock der 1980er und 1990er Jahre so sehr wie Sonic Youth. Ihre bahnbrechenden Alben, insbesondere "Daydream Nation" von 1988, setzten Maßstäbe. Doch wer hätte gedacht, dass ihr Frontmann Thurston Moore nun in der beschaulichen Londoner Vorstadt Barnes lebt?

Moore und seine Frau Eva zogen 2012 nach London, ursprünglich nach Hackney, einem Stadtteil, der dem pulsierenden New York näher kommt. Doch eine erzwungene Umsiedlung führte das Paar schließlich nach Barnes, eine Gegend, die Moore anfangs eher skeptisch betrachtete: „Wir wussten wirklich nichts über diese Gegend.“ Doch die ruhige Umgebung und ein lokaler Plattenladen überzeugten ihn schnell.

Moore, inzwischen 66 Jahre alt, hatte letztes Jahr einen gesundheitlichen Rückschlag durch Vorhofflimmern, der ihn zwang, eine US-Buchtour abzubrechen. Dennoch wirkt er bei unserem Treffen vital und enthusiastisch. Mit fast unverändertem Aussehen aus seinen Sonic Youth Tagen lacht er gerne und oft.

Sein jüngstes Soloalbum "Flow Critical Lucidity" zeigt ihn auf dem Höhepunkt seines kreativen Schaffens. Zusammen mit altbekannten Musikerkollegen wie Deb Googe (My Bloody Valentine) entführt Moore seine Fans in nostalgische Klangwelten. Ein Solo erinnert gar an das durchdringende Surren eines Zahnarztbohrers.

Für Moore ist die neue Umgebung in Barnes auch von historischem Rockwert. So erinnert er sich an das tragische Ende von Marc Bolan und besuchte mit Ehrfurcht das ehemalige Olympic Studios, in dem Led Zeppelin und die Rolling Stones einst aufnahmen. Dieser Ort ist nun zu seiner inoffiziellen Basis geworden.

"Flow Critical Lucidity" markiert einen Wendepunkt für Moore. „Es geht darum, die Dinge ein bisschen mehr atmen zu lassen, im Gegensatz zu den letzten drei oder vier Alben, die sehr hermetisch waren.“ Diese neue, offene Herangehensweise belebt nicht nur ihn, sondern auch seine Anhänger.

Mit als New Yorks No-Wave-Ikone wurde Sonic Youth zur Speerspitze einer Avantgarde-Bewegung gegen Rock-Klischees. Nach der Trennung 2011 und der Scheidung von Kim Gordon hat Moore seinen Weg als eigenständiger Künstler gefunden. Heute betreiben er und seine Frau Eva gemeinsam ein Plattenlabel und einen Verlag.

Sogar bei nostalgischen Fragen zu einer möglichen Sonic Youth Reunion bleibt Moore entspannt. „Reunions sind eine schreckliche Idee!“, bemerkt er lachend und verweist auf das jüngste Desaster einer ähnlichen Reunion der Band Jane's Addiction. Trotz aller Erinnerung bleibt Moore lieber auf seinem aktuellen Kurs und genießt die Freiheit der Improvisation mit Größen wie David Toop und Evan Parker in Londons Musikszene.