31. März, 2025

Börse

Thesaurierend oder ausschüttend? Warum die ETF-Wahl mehr ist als eine Stilfrage

Ob Dividenden im Depot landen oder automatisch reinvestiert werden, kann langfristig tausende Euro Unterschied machen – vor allem steuerlich. Doch welcher ETF-Typ passt zu wem? Eine Analyse zwischen Effizienz, Liquiditätsbedarf und Gesetzeslogik.

Thesaurierend oder ausschüttend? Warum die ETF-Wahl mehr ist als eine Stilfrage
Thesaurierend? Gut für den Zinseszinseffekt – schlecht für Anleger, die laufende Erträge brauchen.

Der erste Fehler bei der ETF-Wahl beginnt oft beim Namen

Thesaurierend oder ausschüttend? Acc oder Dis? Wer sich mit ETFs beschäftigt, muss sich zwangsläufig mit dieser Entscheidung auseinandersetzen – und trifft sie oft unbewusst. Denn bei der Suche nach einem ETF entscheiden viele nach Kostenquote oder Anbieter – und übersehen die Ertragsverwendung.

Dabei beeinflusst genau diese Kleinigkeit langfristig das Ergebnis gravierend. Nicht wegen der Rendite an sich, sondern wegen der Steuern. Und der Psychologie.

Die stille Effizienz der Thesaurierung

Thesaurierende ETFs – also solche, die Dividenden nicht auszahlen, sondern automatisch wieder anlegen – gelten vor allem unter jungen Anlegern als Standard. Kein Wunder: Sie maximieren den Zinseszinseffekt und lassen das investierte Kapital ohne Eingriff stetig wachsen.

Das hat seinen Preis – allerdings nicht beim Produkt, sondern beim Fiskus: Wer thesauriert, zahlt bis zum Verkauf kaum Steuern. Erst beim Exit wird die Steuer in voller Höhe fällig. Davor greift lediglich eine sogenannte „Vorabpauschale“, eine Art Mindeststeuer auf einen fiktiven Ertrag – aktuell auf Basis von 2,53 Prozent Jahreszins. Deutlich weniger, als auf reale Ausschüttungen.

Kinderdepots profitieren paradoxerweise von Ausschüttungen: Nur so lassen sich Freibeträge sinnvoll nutzen.

Das Ergebnis: Ein thesaurierender ETF hat über 30 Jahre eine um bis zu 0,4 Prozentpunkte höhere Nachsteuerrendite – bei gleicher Performance, gleichen Kosten, gleichem Index. Das ist enorm.

Ausschütter: Cashflow ja – aber weniger Kapitalwachstum

Bei ausschüttenden ETFs fließen Dividenden regelmäßig aufs Konto. Die Steuer – 26,375 Prozent pauschale Abgeltungsteuer inklusive Soli – wird sofort fällig, sofern der Sparerfreibetrag nicht greift. Nur 70 Prozent der Dividenden sind dabei tatsächlich steuerpflichtig, was den Effekt abmildert. Dennoch: Das entzieht dem Vermögen Kapital, das andernfalls weiter arbeiten könnte.

Andererseits: Wer auf laufende Erträge angewiesen ist – etwa im Ruhestand – fährt mit Ausschüttern besser. Auch Anleger, die ihre Sparerfreibeträge gezielt ausschöpfen wollen, etwa für Kinderdepots oder bei niedrigen Einkommen, profitieren. Wer hingegen langfristig Vermögen aufbauen will und keine regelmäßigen Ausschüttungen benötigt, fährt mit Thesaurierung effizienter.

Der Kinderdepot-Effekt – Ausschütter klar im Vorteil

Ein anschauliches Beispiel: Eltern, die für ihr Kind 50.000 Euro zur Geburt anlegen, können über 18 Jahre bis zu rund 13.000 Euro jährlich steuerfrei vereinnahmen (Grundfreibetrag plus Sparerfreibetrag plus Sonderpauschale). Doch thesaurierende ETFs lösen kaum laufende Steuerpflicht aus – die Freibeträge bleiben ungenutzt.

In solchen Fällen schlägt der Ausschütter den Thesaurierer klar – mit über 3.900 Euro zusätzlichem Nettogewinn. Der steuerliche Vorteil liegt nicht in der Strategie, sondern in der optimalen Nutzung gesetzlicher Rahmenbedingungen.

Wenn Rebalancing zur Steuerfalle wird

Auch die ETF-Anbieter selbst können Anleger kalt erwischen. Im Februar etwa fusionierte Amundi zwei MSCI-World-ETFs – mit dem Effekt, dass das Fondsdomizil wechselte. Steuerlich galt das als Verkauf. Die Folge: Anleger mussten auf Jahre aufgelaufene Buchgewinne auf einen Schlag versteuern. Wer den ETF zur Altersvorsorge hielt, verlor damit einen Großteil seines Thesaurierungsvorteils – ohne eine einzige Transaktion getätigt zu haben.

Das zeigt: Wer auf Steuerstundung setzt, muss nicht nur den richtigen ETF wählen – sondern auch dessen Fortbestand aktiv im Blick behalten.

Steueroptimierung ist keine Philosophiefrage – sondern Rechenarbeit

Die Investmentsteuerreform 2018 sollte eigentlich dafür sorgen, dass thesaurierende und ausschüttende ETFs gleich behandelt werden. De facto stimmt das nicht. Die Details – etwa die Höhe des Basiszinses oder die Reinvestitionsfähigkeit von Dividenden – sorgen auch heute noch für nennenswerte Unterschiede.

Einmalanlage oder Sparplan? Jung oder alt? Einkommen hoch oder niedrig? Kinderdepot oder Vorruhestand? Wer Antworten auf diese Fragen hat, findet auch den passenden ETF-Typ.

Und die Moral von der Steuergeschichte?

Nicht jeder ETF ist für jeden Anleger gleich sinnvoll – auch wenn er denselben Index abbildet. Was vordergründig wie eine stilistische Entscheidung aussieht, ist in Wahrheit eine Frage langfristiger Effizienz, steuerlicher Optimierung und individueller Lebensrealität.

Wer ohne laufende Ausschüttungen leben kann und langfristig investiert, fährt mit Thesaurierern besser. Wer Liquidität braucht, Freibeträge ausnutzen will oder planbare Erträge schätzt, greift zum Ausschütter.

Und wer gar nicht darüber nachdenkt, läuft Gefahr, über Jahrzehnte Rendite zu verschenken – nur weil er das Kürzel „Acc“ übersehen hat.

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