23. November, 2024

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Teurer Hokuspokus oder heilende Energien? Die Horus-Pyramide und ihre Anhänger

Die „Energetika“-Esoterikmesse in Oberbayern zieht zahlungskräftiges Publikum an. Ob Magnetpyramiden für 359.000 Euro oder energetische Handbewegungen – die Szene boomt und verkauft Heilversprechen. Selbst der Staat unterstützt alternative Heilmethoden.

Teurer Hokuspokus oder heilende Energien? Die Horus-Pyramide und ihre Anhänger
Auf der „Energetika“-Messe werden Heilrituale vorgeführt, die angeblich körperliche Beschwerden lindern. Die Selbstdiagnosen und „Heilungen“ basieren jedoch nicht auf anerkannten medizinischen Verfahren.

In der kleinen Stadt Grafing, etwas außerhalb von München, strömt das Publikum zur „Energetika“-Messe. Es ist eine Veranstaltung, bei der die Grenzen zwischen Esoterik, alternativer Medizin und pseudowissenschaftlichen Ansätzen fließend sind. Hier wird alles Mögliche angeboten – von energetischen Heilritualen bis hin zu vermeintlich revolutionären Erfindungen, die den Menschen durch mystische Magnetfelder helfen sollen.

„Beschwerden? Ich heile sie jetzt“

Auf einer der kleinen Bühnen in der Stadthalle steht ein selbst ernannter Heiler und bietet seine Dienste vor einer Handvoll Zuschauern an. „Hast du Beschwerden?“, fragt er eine Frau, die sich zur Behandlung gemeldet hat. „Ja, mein unterer Rücken, links“, antwortet sie.

Das reicht dem Heiler. Mit schnellen Handbewegungen „zupft“ er die energetischen Blockaden aus ihrem Körper heraus. Minuten später erklärt er sie fast vollständig geheilt. „90 Prozent“, sagt die Frau. Den Rest würde die Zeit richten.

Die Inszenierung mag skurril wirken, doch das Geschäft boomt. Die Messe ist gut besucht, und der Umsatz der Esoterik-Branche in Deutschland wird auf jährlich etwa 20 Milliarden Euro geschätzt – ein ähnlicher Betrag, wie er für Bier und Wein ausgegeben wird.

Die Esoterikbranche boomt in Deutschland mit einem Jahresumsatz von rund 20 Milliarden Euro. Trotz der großen Versprechungen fehlt es oft an wissenschaftlicher Grundlage.

Besonders Oberbayern hat sich zu einem Eldorado für alternative Heiler und Esoteriker entwickelt. Der Sektenbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche, Matthias Pöhlmann, beschreibt die Region als Magnet für die Szene.

Eine Pyramide für 359.000 Euro

Das auffälligste Exponat der Messe ist jedoch nicht der Heiler mit seinen schnellen Händen, sondern die sogenannte Horus-Pyramide, benannt nach dem altägyptischen Sonnengott. Präsentiert von einem weiß gekleideten Mann, wird sie als Lösung für nahezu alle Probleme des menschlichen Körpers angeboten – durch ein angeblich heilendes Magnetfeld.

„Wenn man seine Hand annähert, spürt man sofort die Energie“, behauptet der Verkäufer selbstbewusst.

Die Pyramide, so erklärt er, sei das Ergebnis der Forschung eines „Biotechnikers“, der jahrelang an Sonnenflecken forschte und schließlich in einem spirituellen Prozess die Baupläne von „Horus“ selbst erhalten habe. Es mag wie ein schlechter Science-Fiction-Roman klingen, doch für die kleinere, zimmertaugliche Variante der Pyramide verlangt der Anbieter stolze 849 Euro. Die große, begehbare Version kostet 359.000 Euro.

Magnetische Felder und energetische Snacks

Die pseudowissenschaftlichen Erklärungen, die auf der Messe verwendet werden, klingen oft beeindruckend – zumindest für diejenigen, die nicht allzu genau hinhören. „Das Magnetfeld der Pyramide hilft, Energiestaus aufzulösen“, sagt der Vortragende, der sich als Heiler ausgibt.

„Es schützt uns vor den radioaktiven Strahlen der Sonne, genau wie das Erdmagnetfeld.“ Was wie Wissenschaft klingt, ist in Wirklichkeit eine Mischung aus Halbwahrheiten und esoterischen Behauptungen.

Neben Magnetpyramiden gibt es auf der Messe auch „energetisch sinnvolle Snacks“. Ein Rohkost-Cracker, der laut der Anbieterin „salzig schmeckt“, schmeckt nach nichts. Ein anderer Stand bietet Aloe-Vera-Saft an, der angeblich wahre Wunder im Darm bewirken soll. „Aktiviert die Darmsperre und sorgt für ein besseres Biom“, erklärt die Verkäuferin.

Bayerns Unterstützung für alternative Heilmethoden – Das bayerische Gesundheitsministerium unterhält ein Referat für „integrative Medizin“, das alternative Heilmethoden wie Homöopathie untersucht. Wissenschaftliche Belege bleiben auch hier weitgehend aus.

Esoterik und der Staat: Ein lukratives Geschäft

Die Popularität solcher Veranstaltungen und Produkte zeigt, dass Esoterik in der Gesellschaft verankert ist – und das nicht nur bei Privatpersonen. Auch der Staat hat ein Interesse daran, wie das bayerische Gesundheitsministerium zeigt.

Es gibt ein eigenes Referat für „integrative Medizin“, das sich mit alternativen Heilmethoden befasst. Der frühere Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat sogar eine Studie in Auftrag gegeben, die testen soll, ob Antibiotika durch Homöopathie ersetzt werden können. Eine Entscheidung, die nicht nur bei Experten auf Skepsis stößt.

Gefährliche Verlockungen

Der Erfolg von Esoterik und pseudowissenschaftlichen Heilmethoden ist eng mit der Unsicherheit vieler Menschen verbunden. Die Pyramide und die Heiler bieten einfache Lösungen für komplexe Probleme – sei es körperliches Unwohlsein oder die Angst vor dem Älterwerden. Diejenigen, die an der Messe teilnehmen, sind oft bereit, viel Geld für eine Heilung auszugeben, die wissenschaftlich nicht belegt ist.

Ob es die Horus-Pyramide für 359.000 Euro ist oder eine energetische „Behandlung“ für 100 Euro – die Versprechungen sind groß, der wissenschaftliche Beleg bleibt aus. Für viele ist es jedoch genau das, was sie suchen: Hoffnung und Heilung in einer Welt, die immer komplexer wird.