Ein Todeskreuz entsteht nicht im Verborgenen – und doch wirkt es wie ein stiller Alarm. Bei Tesla könnte genau dieses gefürchtete charttechnische Signal in den nächsten Tagen Realität werden: Der kurzfristige 50-Tage-Durchschnitt fällt unter die langfristige 200-Tage-Linie.
Für technische Analysten ist das der Moment, in dem Hoffnungen durch Berechnung ersetzt werden – und ein Kursrutsch nicht mehr spekulativ, sondern statistisch wahrscheinlich wird.
Dass dieser Moment ausgerechnet jetzt kommt, passt zur Gemengelage. Denn Tesla taumelt nicht nur technisch, sondern auch fundamental. Der Kurs hat seit Jahresbeginn über 37 Prozent eingebüßt. Und das in einem Marktumfeld, das ohnehin zunehmend risikoscheu agiert.
Wenn ein Mythos kippt
Noch im Dezember lag die Tesla-Aktie bei rund 488 Dollar. Seitdem hat sich fast die Hälfte des Börsenwerts in Luft aufgelöst. Und die Ursachen sind längst nicht nur im Chart zu suchen.
Im ersten Quartal 2025 hat Tesla 336.681 Fahrzeuge ausgeliefert – ein Rückgang von rund 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Analysten hatten mit mehr gerechnet.
Doch es ist nicht nur das „Was“, sondern vor allem das „Warum“, das Anleger irritiert: Die Technik stimmt, die Modelle sind da – aber die Nachfrage bröckelt. Nicht wegen mangelnder Innovation, sondern wegen Elon Musk.
Denn Musk ist längst mehr als Unternehmer. Er ist Aktivist, Provokateur – und seit Kurzem Mitglied im politischen Beraterkreis des US-Präsidenten Donald Trump. Eine YouGov-Umfrage vom März legt offen: Für 37 Prozent der Befragten ist Musk ein Grund, keinen Tesla zu kaufen. Ein Imageproblem mit Preisschild.
Politischer Flurschaden
Das Problem ist nicht neu, aber es verschärft sich: Aufkleber, die Teslas als „Trump-Mobiler“ verspotten, sind in demokratisch geprägten US-Städten keine Seltenheit mehr.
Von New York bis San Francisco mehren sich Boykottaufrufe, Protestaktionen und sogar Vandalismus gegen geparkte Fahrzeuge des Unternehmens. Solche Symbolpolitik erreicht nicht nur Medienwirksamkeit – sie drückt auf Verkaufszahlen.
Der Marktanteil von Tesla auf dem US-Elektroautomarkt schrumpfte laut Kelley Blue Book von 80 Prozent im Jahr 2020 auf zuletzt 49 Prozent. Und das, obwohl der Elektroboom in Nordamerika eigentlich weiter Fahrt aufnimmt. Doch wo frühere Käufer noch stolz auf ihre Teslas waren, wächst heute das Bedürfnis nach Distanz – zum Produkt, vor allem aber zur Person dahinter.
Bewertung bleibt hoch – und riskant
Dennoch: Fundamental ist Tesla nicht wertlos – aber die Bewertung bleibt ein Hochseilakt. Mit einem Forward-KGV von über 85 preist der Markt weiterhin eine Wachstumsstory ein, die inzwischen auf mehreren Ebenen brüchig wirkt. Selbst die jüngste Gegenbewegung im vorbörslichen Handel, ein kleines Plus auf 256 Dollar, wirkt wie ein technisches Aufbäumen – nicht wie eine Trendwende.
Auch unter Analysten wächst die Skepsis. Zwar liegt das durchschnittliche Kursziel mit knapp 306 Dollar weiterhin über dem aktuellen Niveau – doch die Stimmen mehren sich, die Abstand fordern. UBS und Mizuho senkten ihre Kursziele zuletzt deutlich. Und wenn das Todeskreuz nun auch noch institutionelle Investoren abschreckt, könnte sich der Verkaufsdruck nochmals verstärken.
Tesla wird zum Testfall für den Markt – und für Musk
Was gerade passiert, ist mehr als eine Korrektur eines überbewerteten Tech-Werts. Tesla wird zum Spiegel eines neuen Anlegerklimas. Eines, in dem Personenkult an der Börse nicht mehr genügt, um Milliardenbewertungen zu rechtfertigen. In dem politische Polarisierung realwirtschaftliche Folgen hat. Und in dem Investoren zunehmend auf Zahlen statt auf Erzählungen schauen.
Ob Tesla die Wende schafft, wird sich nicht nur an Verkaufszahlen und Chartverläufen entscheiden. Sondern auch daran, ob das Unternehmen – und sein CEO – es schaffen, sich wieder auf die Sache zu konzentrieren: das Auto, nicht den Auftritt. Momentan jedenfalls zeigt der Markt wenig Bereitschaft, weiter Vorschusslorbeeren zu verteilen.