19. April, 2025

Unternehmen

Tesla stoppt Lohnzahlungen bei Krankheit – Betriebsrat zeigt kein Interesse

In der deutschen Gigafactory in Grünheide hat Tesla mehreren Beschäftigten bei Krankheit den Lohn verweigert – offenbar systematisch. Trotz der Brisanz der Vorwürfe lehnt der Betriebsrat eine Untersuchung ab. Die IG Metall spricht von einer „ernsten Verletzung grundlegender Arbeitnehmerrechte“.

Tesla stoppt Lohnzahlungen bei Krankheit – Betriebsrat zeigt kein Interesse
Obwohl erste Beschwerden seit Monaten bekannt sind, lehnt der Tesla-Betriebsrat eine Untersuchung ab. Die IG Metall spricht von einem "eklatanten Versagen der Arbeitnehmervertretung".

In Teslas deutscher Autofabrik in Brandenburg mehren sich Hinweise auf systematische Lohnkürzungen bei krankgeschriebenen Mitarbeitern. Nach Recherchen des Stern wurden mehreren Beschäftigten der Lohn während ihrer Krankmeldung vollständig gestrichen. Besonders pikant: Der zuständige Betriebsrat lehnt eine Aufarbeitung der Fälle bislang ab.

Laut den Betroffenen geschah der Lohnstopp ohne vorherige Anhörung oder Prüfung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen. Stattdessen forderte Tesla die Beschäftigten schriftlich dazu auf, ihre behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden und ihre Diagnosen offenzulegen.

Wer dies verweigerte, erhielt kein Gehalt mehr – in einigen Fällen auch kein Krankengeld, weil die Krankenkasse auf Arbeitgeberdaten wartete.

„Ein klarer Rechtsbruch“

Die IG Metall äußerte scharfe Kritik an Teslas Vorgehen. „Tesla überschreitet hier rote Linien“, sagte Dirk Schulze, Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen, gegenüber Stern.

„Wer Lohn zurückhält, obwohl eine gültige Krankschreibung vorliegt, verstößt gegen geltendes Arbeitsrecht.“

Ein Blick in das Entgeltfortzahlungsgesetz (§ 3 Abs. 1) bestätigt die Position der Gewerkschaft: Arbeitnehmer haben im Krankheitsfall grundsätzlich Anspruch auf sechs Wochen Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber – unabhängig davon, ob eine Diagnose vorgelegt wird. Allein die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist maßgeblich.

Betroffene sprechen von Druck und Angst

Einige Beschäftigte berichten, dass ihnen während ihrer Krankschreibung nahegelegt wurde, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Andere schildern Hausbesuche und Gespräche, in denen das Vertrauen in die ärztliche Diagnose offen in Frage gestellt wurde.

Einblick in die Produktion von Tesla in Grünheide: Beschäftigte berichten, dass sie trotz ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keinen Lohn mehr erhielten – ein möglicher Verstoß gegen §3 Entgeltfortzahlungsgesetz.

Konkrete Zahlen zu den Fällen liegen bislang nicht vor. Die IG Metall spricht von „einer zweistelligen Zahl“ an Betroffenen, belegt durch Meldungen aus dem Werk. Bei rund 12.500 Beschäftigten in der Gigafactory entspricht das etwa 0,1 % – jedoch sei von einer deutlich höheren Dunkelziffer auszugehen, so die Gewerkschaft.

Betriebsrat blockiert Aufklärung

Der Fall wird zusätzlich brisant, weil der Betriebsrat der Tesla Manufacturing Brandenburg SE, der im Jahr 2022 ohne Unterstützung der IG Metall gewählt wurde, bislang keine Initiative zur Klärung des Sachverhalts erkennen lässt.

Auf Anfrage erklärte Betriebsratsvorsitzende Michaela Schmitz, man habe „keine Kenntnis über Fälle, in denen Lohn bei Krankheit gestrichen wurde“. Eine Prüfung der Vorwürfe durch das Gremium sei derzeit nicht geplant.

Die IG Metall kritisiert diese Haltung scharf. „Ein Betriebsrat hat die Pflicht, die Interessen der Belegschaft zu vertreten – nicht die des Arbeitgebers“, so Schulze. Tesla habe offenkundig eine „Kontrollkultur etabliert, die auf Angst statt auf Vertrauen basiert“.

Kein Einzelfall?

Laut Recherchen der IG Metall kam es bereits 2023 zu vergleichbaren Auseinandersetzungen. Auch damals gab es Beschwerden über unrechtmäßige Lohnkürzungen bei Krankheit, insbesondere im Fall befristet Beschäftigter.

Die Kritik an der Personalpolitik von Tesla ist nicht neu. In einer Umfrage der IG Metall unter Beschäftigten der Gigafactory aus dem Jahr 2024 gaben 41 % an, Angst vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu haben, wenn sie sich krankmelden. 28 % fühlten sich nach eigenen Angaben durch das Verhalten ihrer Vorgesetzten eingeschüchtert.

Rechtliche Grauzone oder gezielter Rechtsbruch?

Arbeitsrechtsexperten halten Teslas Vorgehen für rechtlich fragwürdig. „Ein Arbeitgeber darf den Lohn nur dann verweigern, wenn begründete Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen und diese durch ein entsprechendes Gutachten widerlegt wurden“, sagt Dr. Carsten Müller, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Die reine Weigerung, Diagnosen offenzulegen, stelle kein legitimes Kürzungsargument dar.

Ob betroffene Beschäftigte rechtlich gegen den Lohnstopp vorgehen, ist derzeit offen. Die IG Metall hat angekündigt, Mitglieder bei Klagen zu unterstützen.

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