Ein Angriff bewaffneter Terroristen am Hauptsitz der staatlichen türkischen Raumfahrtgesellschaft in der Nähe von Ankara hat die Pläne des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan erheblich erschwert. Der von der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) reklamierte Anschlag fällt in eine Zeit, in der Erdoğan die regionalen Turbulenzen nach dem Hamas-Angriff auf Israel zu seinen Gunsten nutzen will, sowohl im Inland als auch international.
Erdoğan hat sich unlängst als scharfer Kritiker des von Israel geführten Krieges positioniert, indem er Israel als Terrorstaat bezeichnete und provokativ den israelischen Premierminister mit Hitler verglich. Tatsächlich strebt Erdoğan an, seinen politischen Einfluss inmitten dieser Konflikte zu maximieren.
Ein zentrales Problem liegt darin, dass die türkische Verfassung ihm keine erneute Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen 2028 gestattet. Seine einzige Chance, dies zu umgehen, wäre die Verfassungsänderung, wozu ihm die notwendige Mehrheit fehlt. Um an der Macht zu bleiben, hat er den Dialog mit dem inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan initiiert, der die Auflösung der PKK ankündigen und im Gegenzug freigelassen werden könnte. Indem Erdoğan den Fokus auf den Krieg Israels lenkt, versucht er, Kritiker ruhigzustellen und die Notwendigkeit einer inneren Stabilität zu betonen.
Die neue Dynamik könnte Erdoğan in der sich wandelnden geopolitischen Landschaft des Nahen Ostens zugutekommen. Die militärischen Aktionen Israels gegen vom Iran unterstützte Gruppierungen wie Hamas und Hisbollah könnten das seit zwei Jahrzehnten anhaltende Übergewicht des Iran infrage stellen und Erdoğans Position stärken.
Der türkische Präsident hat zudem seine Beziehung zu Syriens Bashar al-Assad überdacht, um das Problem fast 4 Millionen syrischer Flüchtlinge in der Türkei anzugehen. Assad hat jedoch Zugeständnisse gefordert, die Erdoğan nur ungern machen möchte. Doch die neuen regionalen Kräfteverhältnisse könnten Assad zu einem Schulterschluss zwingen.
Das jüngste Attentat zeigt jedoch, dass interne PKK-Fraktionen einer Vereinbarung mit Erdoğan widerstreben. Eine dauerhafte Lösung, die zentrale demokratische Forderungen der Kurden berücksichtigt, bleibt für Erdoğan, einen starken Mann des politischen Establishments, schwer vorstellbar. Solange ungelöste kurdische Fragen weiter bestehen, könnte das geopolitische Chaos mehr Herausforderungen als Chancen für Erdoğan bereithalten.