19. September, 2024

Technologie

Telegram-Chef Pavel Durov im Visier der französischen Justiz: LOPMI-Gesetz im Test

Telegram-Chef Pavel Durov im Visier der französischen Justiz: LOPMI-Gesetz im Test

Frankreich zeigt sich entschlossener als je zuvor im Kampf gegen Online-Verbrechen und stellt dabei auch prominente Tech-Gründer zur Verantwortung. Im Fokus steht Pavel Durov, der Chef von Telegram: Französische Staatsanwälte setzen in ihrem Vorgehen gegen ihn auf ein einzigartiges Gesetz, das unter dem Namen LOPMI bekannt ist und seit Januar 2023 in Kraft ist.

Das LOPMI-Gesetz kriminalisiert nunmehr Technologien, deren Plattformen illegale Aktivitäten ermöglichen, und unterstreicht damit Frankreichs führende Rolle bei der Bekämpfung von cyber-gestütztem Verbrechen. Noch ist das Gesetz jung und ungetestet in der Praxis, doch der Fall Durov könnte das erste Mal sein, dass es auf den Prüfstand kommt. Richter hatten letzten Monat Anklage gegen Durov erhoben, unter anderem wegen „Beihilfe bei der Verwaltung einer Online-Plattform zur Ermöglichung illegaler Transaktionen in einer organisierten Bande“. Ihm drohen bei einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft und eine Geldstrafe von 500.000 Euro.

Selbstverständlich beteuert Durov seine Unschuld. Telegram verteidigt sich mit der Aussage, es halte sich an EU-Gesetze und bezeichnet die Anschuldigungen als absurd, die Verantwortung für missbräuchliche Nutzung der Plattform dem Unternehmen zuzuschieben. Die Ermittlungen werden zeigen, ob diese Verteidigung Bestand haben kann.

Laure Beccuau, Staatsanwältin in Paris, betonte in einem Radiointerview die Bedeutung des neuen Gesetzes als mächtiges Werkzeug im Kampf gegen organisierte Kriminalität im Internet. Der einmalige Charakter des Gesetzes wurde auch von internationalen Experten bestätigt. Der ehemalige US-Vizejustizminister Adam Hickey hob hervor, dass es kein vergleichbares Strafrecht in den USA oder anderswo in der westlichen Welt gebe.

Doch es gibt auch skeptische Stimmen. Timothy Howard, ein ehemaliger US-Bundesstaatsanwalt, äußerte Zweifel daran, dass Durov in den USA unter ähnlichen Umständen verurteilt würde, insbesondere ohne klare Beweise für sein Wissen um die kriminellen Aktivitäten auf Telegram und deren Förderung.

Michel Séjean, Professor für Cyberrecht in Frankreich, erklärte, dass die verschärfte Gesetzgebung eine Reaktion auf den zunehmenden Frust über unkooperative Plattformen sei. Die neuen Gesetze resultieren aus einem Weißbuch des französischen Innenministeriums von 2020 und sind Teil einer größeren Strategie zur Bekämpfung von Cyberkriminalität. Sie beinhalten Maßnahmen wie die Echtzeit-Geolokalisierung von Verdächtigen schwerer Verbrechen, was jedoch von Frankreichs Verfassungsrat teilweise begrenzt wurde.

Die neuen Befugnisse haben das J3-Cybercrime-Team der Pariser Staatsanwaltschaft in die Lage versetzt, einige der bekanntesten Fälle des Landes zu bearbeiten. So wurde im Juni die Anonymisierungs-Plattform Coco wegen zahlreicher Straftaten geschlossen. Der Betreiber, Isaac Steidel, steht nun vor ähnlichen Vorwürfen wie Durov.

Die französischen Behörden hoffen, dass die laufenden Untersuchungen zeigen werden, dass die neuen Gesetze ein wirksames Instrument im Kampf gegen Internetkriminalität sind.