Die Deutsche Bahn wird trotz der von der Gewerkschaft GDL eingeleiteten Urabstimmung über unbefristete Streiks weiterhin verhandeln. Das bestätigte ein Sprecher am Wochenende. Der vereinbarte Verhandlungstermin in der kommenden Woche werde wie geplant stattfinden, es sei denn, die GDL streike selbst am Verhandlungstermin. Die Bahn strebe eine Lösung am Verhandlungstisch im besten Interesse der Mitarbeiter und Fahrgäste an. Die Gespräche sind für Donnerstag und Freitag geplant.
Die GDL hatte am Freitag angekündigt, eine Urabstimmung einzuleiten. Sollten drei Viertel der Mitglieder zustimmen, wären damit auch unbefristete Streiks sowohl beim Staatskonzern als auch bei Privatbahnen möglich. GDL-Chef Claus Weselsky begründete dieses Vorgehen mit einer Hinhaltetaktik der Arbeitgeber.
Die Bahn kritisierte die Ankündigung der GDL als "befremdlich und völlig irrational". Ein Sprecher betonte, dass die Verhandlungen noch nicht gescheitert seien. Die Lokführergewerkschaft suche nur den Konflikt und sei nicht zur Kooperation fähig. Die Bahn habe bereits in der ersten Verhandlungsrunde ein Angebot über eine elfprozentige Lohnerhöhung vorgelegt. Die GDL starte nun die Urabstimmung, obwohl weitere Verhandlungen bereits vereinbart seien. "Wer soll das noch verstehen?"
Der Hauptstreitpunkt in den Verhandlungen ist die Forderung der Gewerkschaft nach einer Absenkung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Wochenstunden bei vollem Lohn. GDL-Chef Weselsky argumentierte am Wochenende, dass nur so die Attraktivität dieser Berufe verbessert werden könne. Die Bahn lehnt diese Forderung als unerfüllbar ab. Ihr Angebot einer elfprozentigen Entgelterhöhung gilt für eine Laufzeit von 32 Monaten. Zudem bietet sie eine Inflationsprämie an.
In der vergangenen Woche hatte die GDL erstmals den Bahnverkehr mit einem Warnstreik lahmgelegt. Für weitere Warnstreiks ist keine Urabstimmung nötig, jedoch gelten engere Vorgaben für Dauer und Häufigkeit. GDL-Chef Weselsky hatte mehrfach betont, frühzeitig auf eine Urabstimmung setzen zu wollen, um eine Klage der Bahn vor dem Arbeitsgericht zu vermeiden. Wann das Ergebnis der Urabstimmung vorliegt, ist derzeit unklar. Die GDL schließt bis dahin weitere Warnstreiks nicht aus.
Weselsky äußerte sich erneut scharf über die Arbeitgeber. Er kritisierte deren überraschte Reaktion auf die vielen Mitarbeiter, die das Rentenalter erreichen. Bei der Deutschen Bahn gebe es monatlich Hunderte von Abgängen. "Sie wussten genau, wann die Kolleginnen und Kollegen in ihren wohlverdienten Ruhestand gehen. Und jetzt tun sie so, als würde uns das überraschen. Das sind Vollpfosten." Weiterhin beklagte er die Unpünktlichkeit der Bahn und machte dafür nicht die Mitarbeiter, sondern die Manager verantwortlich. "Nieten in Nadelstreifen, mit Millionengehältern, sitzen im Bahntower, machen sich einen Fetten und haben keine Ahnung, wie man eine Eisenbahn organisiert", kritisierte Weselsky.