20. Dezember, 2024

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Taiwan-Konflikt: Das unberechenbare Mega-Risiko für die Weltwirtschaft

Die geopolitische Eskalation um Taiwan könnte die globale Wirtschaft stärker treffen als Pandemie und Finanzkrise zusammen. Deutsche Unternehmen stehen vor einer existenziellen Herausforderung.

Taiwan-Konflikt: Das unberechenbare Mega-Risiko für die Weltwirtschaft
90 % der weltweit modernsten Chips stammen aus Taiwan. Ein Konflikt würde die globale Halbleiter-Lieferkette zum Erliegen bringen – mit dramatischen Folgen für Automobil- und Elektronikindustrien weltweit.

Es sind Bilder, die die Welt wachrütteln: 100 Kriegsschiffe patrouillieren vor Taiwans Küste, 50 chinesische Kampfflugzeuge verletzen die Luftraumgrenzen. Chinas jüngstes Militärmanöver zeigt unmissverständlich, was Peking plant – und wie ein Konflikt beginnen könnte.

Der Druck steigt, und die Folgen wären gewaltig: Taiwan ist das Herz der globalen Chipindustrie, ein Schlüssel für weltweite Lieferketten und zentral für die weltweite Logistik. Eine Eskalation um die Insel könnte die globale Wirtschaft härter treffen als die Coronapandemie, die Finanzkrise oder der Ukrainekrieg.

Warum Taiwan für die Welt so wichtig ist

Taiwan, eine Insel mit nur 23 Millionen Einwohnern, hat wirtschaftlich eine gigantische Bedeutung. Zwei Drittel aller Halbleiter weltweit stammen aus taiwanischen Fabriken, bei den modernsten Chips, die in Smartphones, Autos und Hochleistungsrechnern stecken, sind es sogar über 90 Prozent.

Der dominierende Produzent: TSMC, der weltgrößte Halbleiterhersteller, der selbst Giganten wie Apple, Nvidia und Intel beliefert.

Nvidia-Chef Jensen Huang brachte es kürzlich auf den Punkt: „Ohne Taiwan brechen weltweit die Lieferketten zusammen.“ Der „Silizium-Schutzschild“ Taiwans schützt die Insel bisher vor einem chinesischen Angriff. Denn auch China selbst hängt von TSMC-Chips ab. Doch wie lange noch?

50 % des globalen Warenverkehrs passiert die Taiwanstraße. Eine Sperrung würde Lieferketten unterbrechen und Milliardenverluste für die Weltwirtschaft bedeuten.

Die ökonomische Dimension: 10 % des Welt-BIP in Gefahr

Bloomberg Economics berechnet den wirtschaftlichen Schaden eines Taiwan-Konflikts auf 10 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich: Die Finanzkrise 2008 führte zu einem Rückgang um etwa 2,5 Prozent, die Pandemie um rund 4 Prozent.

Besonders betroffen wären die asiatischen Volkswirtschaften. Südkorea, Japan und China sind eng mit der taiwanischen Produktion verzahnt.

Doch auch die deutsche Wirtschaft würde massiv leiden: Rund 720 Milliarden Euro setzen Handwerksbetriebe und die Industrie allein in Deutschland jährlich um – und jedes moderne Produktionsnetzwerk braucht Chips. „Halbleiter aus Taiwan sind nicht zu ersetzen, das ist die bittere Wahrheit“, warnt Infineon-Chef Jochen Hanebeck.

Die Taiwanstraße: Nadelöhr der globalen Logistik

Neben den Halbleitern spielt auch die Taiwanstraße eine Schlüsselrolle. Rund 50 Prozent des globalen Warenverkehrs passiert die schmale Meerenge zwischen China und Taiwan. Sollte China diesen Seeweg blockieren oder militärisch kontrollieren, stünde der Welthandel vor massiven Problemen.

„Eine Blockade der Taiwanstraße hätte ähnliche Auswirkungen wie der Suezkanal-Stau 2021 – nur in ungleich größerem Maßstab“, warnt ein Logistikexperte.

Schiffe müssten Ausweichrouten nehmen, was nicht nur Zeit, sondern auch Milliarden kostet. Im Ernstfall könnten nicht nur Lieferungen aus Asien stocken, sondern auch europäische Exporte nach China.

Die vage Haltung des designierten US-Präsidenten Donald Trump zur Taiwan-Frage sorgt für Nervosität. Handelszölle statt militärische Verteidigung? Die Weltwirtschaft hält den Atem an.

Deutsche Unternehmen: Abhängigkeit größer als gedacht

Für die deutsche Wirtschaft könnte der Taiwan-Konflikt existenziell werden. Mehr als 10 Prozent der deutschen Auslandsinvestitionen fließen nach China. Im Jahr 2023 summierten sich die deutschen Direktinvestitionen auf knapp 12 Milliarden Euro. Große DAX-Konzerne wie Volkswagen, BASF und Siemens hängen stark von chinesischen Märkten und Produktionsstandorten ab.

„Alle Großunternehmen haben Notfallpläne“, sagt Eva Langerbeck, Leiterin der deutschen Auslandshandelskammer in Taiwan. Doch der Mittelstand? „Für viele kleinere Unternehmen ist das Risiko kaum kalkulierbar.“ Die wirtschaftliche Abhängigkeit von China sei häufig viel größer, als viele Geschäftsführer vermuten.

Die Szenarien: Blockade, Quarantäne, Invasion

Experten unterscheiden drei Eskalationsstufen:

  1. Wirtschaftliche „Quarantäne“: China könnte Handelswege einschränken und Schiffe kontrollieren. Die taiwanische Wirtschaft würde isoliert, ohne dass ein direkter Angriff stattfindet.
  2. Blockade: Ein vollständiger Abriegelungsversuch Taiwans hätte dramatische Folgen. Öl, Gas und lebensnotwendige Güter könnten nicht mehr geliefert werden. Auch die globale Schifffahrt wäre gestört.
  3. Invasion: Ein direkter Angriff auf Taiwan würde Luft- und Seeschlachten auslösen. Der wirtschaftliche Schaden wäre unermesslich, und internationale Sanktionen gegen China kaum vermeidbar.

Schon heute führt China massive Cyberangriffe durch und übt Druck auf Unternehmen aus, Taiwan offiziell als Teil Chinas anzuerkennen. Apples CEO Tim Cook etwa hat mehrfach versichert, Peking nicht zu verärgern – ein klarer Beleg, wie mächtig Chinas wirtschaftlicher Hebel ist.

Trump und die neue Unsicherheit

Die USA sind Taiwans stärkster Rückhalt. Noch-Präsident Joe Biden hat mehrfach zugesichert, die Insel militärisch zu verteidigen. Doch was passiert unter Donald Trump?

Trumps Haltung zu Taiwan schwankt zwischen wirtschaftlicher Abschreckung und vager Unterstützung. Sein künftiger Außenminister Marco Rubio gilt als China-Falke, doch Trump selbst erklärte einst, er wolle China mit Handelszöllen statt Waffen stoppen.