14. April, 2025

Unternehmen

T-Mobile kapituliert vor Trump-Dekret

Nach massiver politischer Einflussnahme aus Washington hat T-Mobile US seine DEI-Programme aufgegeben – offenbar als Voraussetzung für eine milliardenschwere Übernahmegenehmigung. Die Deutsche Telekom laviert zwischen US-Geschäften und europäischen Werten.

T-Mobile kapituliert vor Trump-Dekret
Mit dem Trump-Dekret vom Januar 2025 wird unternehmerisches DEI-Engagement de facto zur Haftung – Firmen beugen sich, um keine Milliarden-Deals zu gefährden.

Keine Fusion ohne Kurskorrektur. Das war die implizite Botschaft der amerikanischen Telekomaufsicht FCC an T-Mobile US – und der deutsche Mutterkonzern hat geliefert. In einem zweiseitigen Schreiben an FCC-Kommissar Brendan Carr sicherte das Unternehmen zu, seine Programme für Diversität, Gleichstellung und Inklusion (DEI) deutlich zurückzufahren.

Wenige Stunden später: Freigabe der Übernahme des Kabelnetzbetreibers Lumos. Ein Zusammenhang, den niemand offen zugibt – aber jeder versteht.

Der Preis für regulatorisches Wohlverhalten

Die Botschaft aus Washington ist unmissverständlich. Unternehmen, die an „DEI-Diskriminierung“ festhalten, sollen bei Behördenentscheidungen künftig benachteiligt werden.

Was damit gemeint ist, hat Trump-Vertrauter Carr frühzeitig klar gemacht: Alles, was gezielt Minderheiten, Frauen oder queere Menschen fördert, gilt als suspekt – und potenziell diskriminierend gegenüber „anderen Gruppen“. Eine bizarre Verdrehung des Antidiskriminierungsgedankens, aber politisch effektiv. Die FCC spielt mit – und Unternehmen reagieren.

Auch T-Mobile US. Der US-Ableger der Deutschen Telekom hat nicht nur zwei eigene Beiräte zu Diversitätsthemen aufgelöst, sondern auch „konkrete Zielsetzungen“ gestrichen – was immer das im Detail bedeutet.

Der Zeitpunkt der Bekanntgabe kurz vor der entscheidenden Fusionsgenehmigung legt nahe, dass hier politischer Druck mit wirtschaftlichem Kalkül beantwortet wurde.

Während der Mutterkonzern in Deutschland Diversität predigt, kapituliert die US-Tochter vor dem Trump-Dekret – ein Spagat mit Glaubwürdigkeitsrisiko.

Zwischen Karriereschutz und Konzernethik

Was bedeutet das für die Deutsche Telekom in Bonn, deren Markenleitbild auf Vielfalt und Offenheit fußt? Öffentlich versucht der Konzern zu beschwichtigen. Man bekenne sich weiterhin zu seinen Werten – aber selbstverständlich „im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben“ in allen Märkten.

Ein diplomatischer Spagat. Intern dürften die Alarmglocken schrillen. Denn was jetzt in den USA beginnt, könnte bei einer zweiten Amtszeit Trumps zur neuen Normalität werden.

Spätestens dann wird sich auch die Frage stellen: Welche Werte sind für DAX-Konzerne verhandelbar, wenn Aufsichtsbehörden sie zur Disposition stellen? Und was passiert, wenn Europa und die USA hier vollständig auseinanderdriften? Für Unternehmen mit globaler Reichweite ist das keine akademische Debatte, sondern ein strategischer Zielkonflikt.

Der wirtschaftspolitische Hebel „Wokeness“

Donald Trump macht kein Geheimnis daraus, dass er den Kulturkampf längst in die Wirtschaft getragen hat. Unter dem Label „Anti-Wokeness“ rückt er gezielt Programme ins Visier, die Unternehmen in den letzten Jahren – teils unter öffentlichem Druck, teils aus Überzeugung – eingeführt haben: Förderquoten, Diversitätsziele, interne Schulungen zur Sensibilisierung.

In konservativen Kreisen gelten sie als linksideologische Umerziehungsmaßnahmen. In der Wirtschaft sind sie Teil des ESG-Narrativs geworden, mit dem Unternehmen sich als sozial verantwortlich positionieren.

Doch das politisch erwünschte ESG-Profil wird in den USA zunehmend zum Risiko. Was vor fünf Jahren noch mit „Business Case für Diversität“ begründet wurde, kann heute ein Fusionshindernis sein – oder ein Ausschlusskriterium für öffentliche Aufträge.

Die Anti-DEI-Bewegung ist längst kein Randphänomen mehr, sondern hat sich in Gesetzestexte und Behördenpraxis eingeschrieben. Für global agierende Konzerne ist das ein Minenfeld.

Europas Reaktion: abwartend bis irritiert

Die Reaktionen in Deutschland bleiben bislang verhalten. In der Politik äußerte sich bislang niemand zum Vorgang, auch aus anderen DAX-Unternehmen ist bislang kein Kommentar bekannt.

Dabei stellt sich die Frage: Was bedeutet es für den europäischen Wirtschaftsstandort, wenn Konzerne gezwungen werden, liberale Grundsätze je nach geopolitischer Lage zu suspendieren?

Brisant: Auch US-Botschaften in Europa – darunter Berlin – haben laut Medienberichten bereits Kontakt zu Firmen aufgenommen, um deren Engagement für DEI zu hinterfragen. Das bedeutet: Der Druck wird exportiert. Und Europa könnte ins Visier geraten, sollte es den transatlantischen Erwartungen in Sachen Unternehmenspolitik nicht mehr entsprechen.

Rückzug mit Ansage

T-Mobile US war nicht das erste Unternehmen, das seine DEI-Initiativen zurückfährt – aber möglicherweise das erste mit deutscher Konzernmutter. Der Fall ist ein Testlauf.

Und er zeigt, wie schnell politische Direktiven inzwischen auf Vorstandsetagen durchschlagen können, wenn sie mit regulatorischem Hebel daherkommen. Die Telekom hat sich für den Deal entschieden – und dafür einen Preis bezahlt, der über die Bilanz hinausgeht.

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