Die Entwicklungen in Syrien nehmen eine unerwartete Wendung. Nach dem überraschenden Flug von Präsident Baschar al-Assad nach Moskau besteht die Hoffnung, dass der brutale 13-jährige Bürgerkrieg einen friedlichen Ausgang finden könnte. Dies ist vor allem bemerkenswert angesichts der Tatsache, dass ein derartiger Übergang ohne Blutvergießen nahezu unglaublich erscheint. Während Hayat Tahrir Al-Sham (HTS) die Kontrolle in der Hauptstadt Damaskus übernommen hat und andere Gruppen, darunter sunnitische, alawitische, drusische und kurdische Fraktionen, andere Teile des Landes kontrollieren, bleibt die wahre Haltung dieser Akteure abzuwarten. Interessant ist dabei die Rolle externer Mächte, insbesondere das nahezu völlige Fehlen der USA in dieser entscheidenden Phase. Die friedliche Machtübergabe, wie sie jetzt scheint, wurde eher durch Einflussnahme der Türkei, Russlands und Irans gelenkt. Die Türkei hat aus dieser Entwicklung bislang am meisten profitiert. HTS konnte sich dank der Unterstützung aus Ankara etablieren und eine organisierte und gut bewaffnete Struktur aufbauen. Dies verschafft Präsident Recep Tayyip Erdogan einen neuen Verbündeten in Damaskus, während gleichzeitig deutlich wird, dass ein „post-amerikanisches Zeitalter“ mehr Unsicherheiten und Machtverschiebungen mit sich bringt. Assads Abgang hinterlässt eine komplexe politische Landschaft. Für Russland und Iran stellt die aktuelle Situation einen Rückschlag dar, da der von ihnen gestützte alawitische Machtapparat nun vor einer ungewissen Zukunft steht. Die Herausforderungen für die Region bleiben immens. Die Türkei verfolgt weiterhin das Ziel, kurdische Milizen aus der Grenzregion zu vertreiben. Israel sieht den neuen sunnitischen Einfluss in Damaskus mit Besorgnis, und die alawitische Minderheit wird nach Wegen suchen, sich vor möglichen Racheakten zu schützen. In diesem fragilen Kontext wird die Rolle der USA und Europas bei der Stabilisierung entscheidend sein, während gleichzeitig ein sensibler Umgang mit HTS gefordert ist, um eine Rückkehr der Gewalt zu verhindern. Die Region erfordert weiterhin Engagement und diplomatische Bemühungen, um das fragile Positive zu stabilisieren.