14. April, 2025

Unternehmen

Supreme Court soll über Glyphosat-Streit entscheiden

Der Leverkusener Konzern will ein Grundsatzurteil in den USA erzwingen, um die kostspielige Klagewelle rund um den Unkrautvernichter Glyphosat endlich zu stoppen. Doch der Weg nach Washington ist riskant – und die Aktie stürzt ab.

Supreme Court soll über Glyphosat-Streit entscheiden
Zwar hat Bayer bereits über 114.000 Glyphosat-Klagen beigelegt, doch zehntausende Verfahren sind noch offen – und der finanzielle Schaden geht in die Milliarden.

Ein Fall für Washington: Bayer spielt die letzte Karte

Es ist der juristische Endgegner: der Supreme Court der Vereinigten Staaten. Kein Gericht steht höher, keine Entscheidung wäre endgültiger. Und genau dorthin zieht es Bayer jetzt – in einem verzweifelten Versuch, die Glyphosat-Klagewelle in den USA mit einem Federstrich zu beenden.

Ein Schritt mit Symbolkraft und Risiko zugleich.

Am Freitagabend teilte der Konzern mit, im Fall „Durnell“ die Überprüfung durch das oberste US-Gericht beantragt zu haben. Die Hoffnung: ein Grundsatzurteil, das künftige Schadenersatzklagen deutlich erschwert oder gleich ganz ausschließt.

Denn während Bayer in einigen Berufungsverfahren obsiegte, urteilten andere Gerichte gegenteilig – was das Unternehmen in eine toxische Mischung aus Rechtsunsicherheit und finanzieller Dauerbelastung stürzt.

Glyphosat: Kein Gift – oder kein Recht auf Warnung?

Im Kern dreht sich alles um die Frage: Muss Bayer vor Krebsrisiken warnen, obwohl die US-Umweltbehörde EPA dies gar nicht erlaubt? Genau diese widersprüchliche Lage will Bayer jetzt geklärt wissen.

Denn während Bundesrecht durch die EPA ein Label ohne Warnhinweise genehmigte, verlangen einzelne Bundesstaaten genau das Gegenteil – und verurteilen den Konzern, wenn der Hinweis fehlt.

Im Fall „Schaffner“ entschied ein Berufungsgericht im Sinne Bayers: Das Bundesgesetz übertrumpfe das Recht der Bundesstaaten. Doch im Fall „Durnell“, um den es nun geht, sahen die Geschworenen das anders.

Die 2018 vollzogene Übernahme von Monsanto kostete Bayer 63 Milliarden Dollar – und brachte eine Klagewelle mit sich, die den Konzern bis heute belastet.

Die Jury verurteilte Bayer auf Grundlage einer Missouri-Regelung, die eine Krebswarnung verlangt – obwohl genau diese Warnung laut EPA rechtswidrig wäre.

Ein Fall für ein Grundsatzurteil

Juristisch ist das ein klassischer „Circuit Split“ – also ein Widerspruch zwischen verschiedenen Bundesgerichten. Genau für solche Fälle ist der Supreme Court zuständig. Aber ob die Richter den Fall überhaupt annehmen, ist offen. Und falls doch, dürfte eine Entscheidung frühestens im Sommer 2026 fallen.

Für Bayer geht es um viel. Denn obwohl der Konzern bereits rund 114.000 der über 180.000 Glyphosat-Klagen per Vergleich beigelegt hat, bleiben Zehntausende Verfahren offen. Allein der Versuch, diese Welle durch ein Grundsatzurteil zu stoppen, ist ein Signal: Bayer setzt alles auf juristische Konsolidierung.

Ein Erbe namens Monsanto – teuer und zäh

Die Wurzel des Problems liegt im Jahr 2018. Damals übernahm Bayer für mehr als 60 Milliarden Dollar den US-Konzern Monsanto – und damit nicht nur den Unkrautvernichter Roundup, sondern auch einen riesigen juristischen Rucksack.

Nur wenige Monate nach der Übernahme platzte die Bombe: Ein kalifornisches Gericht sprach einem Krebspatienten erstmals Schadenersatz zu – und löste damit eine Klagewelle aus, die Bayer seither Milliarden kostete.

Der Konzern versucht seit Jahren, das juristische Erbe zu bereinigen – mit Vergleichen, mit PR, mit Lobbyarbeit. Auch in den US-Bundesstaaten versucht Bayer, Gesetze zu beeinflussen. Ziel: einheitliche Regelungen, die Klagen erschweren. Doch der Widerstand ist groß – und der politische Preis hoch.

Börse reagiert nervös – Vertrauen bleibt fragil

Die Märkte reagierten am Freitag prompt: Im nachbörslichen Handel auf Tradegate rutschte die Bayer-Aktie um über 6 Prozent auf 19,80 Euro ab.

Die Investoren wissen: Selbst wenn der Supreme Court den Fall annimmt, ist ein positives Urteil keineswegs garantiert. Und selbst wenn es kommt – der Weg dorthin wird lang, teuer und öffentlichkeitswirksam sein.

Quelle: Eulerpool

Bayer steht damit nicht nur juristisch, sondern auch kommunikativ unter Druck. Der Konzern braucht ein Ende der Glyphosat-Debatte – doch je länger sie dauert, desto mehr wird aus einem Rechtsproblem ein strukturelles Reputationsrisiko.

Die große Frage: Was, wenn Washington nein sagt?

Ein Nein des Supreme Court wäre der GAU für Bayer: Dann bliebe alles, wie es ist – mit weiterem Klagerisiko, Prozesskosten, Vergleichszahlungen. In einem solchen Szenario könnte die Glyphosat-Thematik zum Dauerproblem werden, vergleichbar mit den Opioid-Klagen für Pharmakonzerne oder Dieselgate für die Autoindustrie.

Bayer steht also vor einem Dilemma: Der Supreme Court ist womöglich die letzte Chance auf juristische Klarheit. Doch selbst ein Sieg in Washington könnte am Ende weniger Heilung als erhofft bringen – denn die öffentliche Wahrnehmung hat sich längst verselbstständigt.