20. September, 2024

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Stürzen Gebührenexplosion und Vorstandswechsel Otto in die Krise?

Die Handelsplattform Otto.de verliert innerhalb weniger Monate über 1.000 Partner. Was steckt hinter der Massenabwanderung und dem Bruch mit langjährigen Partnern?

Stürzen Gebührenexplosion und Vorstandswechsel Otto in die Krise?
Händler beklagen nicht nur hohe Gebühren, sondern auch technische Probleme und schlechte Retourenquoten.

Es klang nach einem echten Erfolg: Noch im Mai verkündete Otto.de stolz, die Zahl der Marktplatz-Händler sei auf 6.500 gestiegen, und der Umsatz sei im letzten Jahr um 50 Prozent gewachsen.

Doch hinter den Kulissen brodelt es. Was nach einem erfolgreichen Wachstumskurs aussieht, entpuppt sich als schwerwiegende Krise. Hunderte Händler haben Otto.de inzwischen den Rücken gekehrt – und die Gründe dafür sind eindeutig.

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Gebührenexplosion und Händlerfrust

Für viele Händler war das Jahr 2023 der Wendepunkt in ihrer Zusammenarbeit mit Otto. Im März kam es nicht nur zum überraschenden Abgang des zuständigen Vorstandsmitglieds Bodo Kipper, sondern auch zu drastischen Gebührenerhöhungen.

Von heute auf morgen schossen die Provisionen für bestimmte Produktgruppen in die Höhe – bei Technikzubehör etwa von sieben auf satte 15 Prozent. Zudem stieg die Grundgebühr für alle Händler auf 99,90 Euro im Monat. Zum Vergleich: Bei Amazon zahlen die Händler eine monatliche Grundgebühr von nur 39 Euro.

Viele Partner warfen daraufhin das Handtuch. Nach internen Schätzungen hat Otto allein zwischen April und August über 1.000 Händler verloren.

Das bestätigt auch der Marktplatz-Experte Mark Steier, der die Abwanderung anhand von Datenanalysen dokumentierte. Offiziell gesteht Otto ein, dass viele Partner von sich aus die Zusammenarbeit beendet hätten – aber auch, dass rund 150 Händlern seitens Otto gekündigt wurde.

Über 1.000 Partner haben Otto.de in den letzten Monaten verlassen – die steigenden Gebühren sind einer der Hauptgründe.

Kündigungen ohne Begründung

Eben diese Kündigungen haben für Empörung gesorgt. Viele Händler berichten, sie hätten keine konkreten Gründe erhalten. Otto rechtfertigt sich, die Kündigungen seien wegen Verstößen gegen vertragliche Pflichten erfolgt. Insbesondere Verstöße gegen den Kundenservice und den Versand aus China seien Anlass gewesen, so ein Sprecher des Unternehmens.

Doch Händler wie Anwalt Lars Maritzen, der viele Betroffene vertritt, sehen das anders:

„Viele Händler wurden ohne Begründung rausgeworfen, dabei hatten sie zuvor Millionenumsätze über Otto gemacht.“

Otto in der Abwärtsspirale?

Die Lage wird für Otto zunehmend brenzlig. Die Konkurrenz auf dem Onlinehandelsmarkt, vor allem durch internationale Akteure wie Amazon, Temu und Shein, wächst unaufhaltsam.


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Zudem leidet Otto unter eigenen strukturellen Problemen. Der Umsatz des Unternehmens ging im vergangenen Jahr um fast fünf Prozent zurück, trotz der stark gestiegenen Einnahmen aus den Gebühren der Marktplatz-Händler.

In der Kritik stehen zudem technische Probleme auf Otto.de. Händler klagen über eine holprige Anbindung und Retourenquoten, die deutlich höher seien als bei der Konkurrenz.

„Otto zeigt sich in der technischen Entwicklung als altbacken und wenig innovativ“, sagt ein technischer Dienstleister, der anonym bleiben möchte. „Dass jetzt auch noch Händlern massenhaft gekündigt wird, ist ein Desaster.“

Strategiewechsel unter neuem Vorstand

Seit Mai ist Boris Ewenstein neuer Bereichsvorstand bei Otto. Der Ex-McKinsey-Berater soll das Unternehmen wieder auf Wachstumskurs bringen – eine Mammutaufgabe, denn die Stimmung unter den Marktplatzhändlern ist auf einem Tiefpunkt.

Ewenstein steht nun vor der Herausforderung, Otto.de als Partnerplattform zu stärken, anstatt mit weiteren Kündigungen und Gebührenerhöhungen alte Händler zu vergraulen.