07. September, 2024

Politik

Streit um streunende Hunde: Erdogans umstrittenes Gesetz spaltet Türkei

Streit um streunende Hunde: Erdogans umstrittenes Gesetz spaltet Türkei

Der Umgang mit streunenden Hunden in der Türkei hat lange Tradition, doch die Situation spitzt sich nun dramatisch zu. Die Türkei ist Heimat von schätzungsweise vier Millionen Streunern, die das Stadtbild prägen und für viele Menschen untrennbar mit ihrer Heimat verbunden sind.

Ein Gesetzesvorschlag der regierenden Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan sorgt nun für heftige Diskussionen. Das Parlament soll darüber entscheiden, ob streunende Hunde systematisch eingefangen und in oft marode und überfüllte Tierheime gebracht werden. Aggressive und kranke Hunde sollen eingeschläfert werden. Die Gemeinden haben bis 2028 Zeit, um bestehende Unterkünfte zu renovieren und neue zu bauen.

Die Meinungen darüber gehen auseinander. Befürworter des Gesetzes verweisen auf die Gefahren, die von den Tieren ausgehen: Autounfälle und Angriffe sind Realität. Gegner, darunter auch der Autor des Berichts, fordern stattdessen eine Sterilisation der Tiere. Sie befürchten, dass geliebte Hunde von den Straßen verschwinden, nur weil ein übervorsichtiger Bürger eine anonyme Beschwerde einreicht.

Doch es geht wohl um mehr als nur um die Hunde. Erdogan, der seit über 20 Jahren an der Macht ist, hat wiederholt verschiedene Gruppen für die Probleme des Landes verantwortlich gemacht. Angesichts einer schwächelnden Wirtschaft und einem schlechten Abschneiden bei den Frühjahrs-Kommunalwahlen scheint das Thema Streuner ein neuer Schuldiger zu sein.

Insbesondere in großen Städten wie Istanbul, Ankara, Izmir und Antalya verzeichnete die Opposition beachtliche Wahlerfolge. Seitens der regierungsnahen Medien wurde die "Terrorgefahr durch streunende Hunde" mitverantwortlich für die sinkende Popularität der Regierungspartei gemacht. Angesichts einer Inflation von über 70 Prozent, hohe Fleischpreise und prekäre Renten haben die Bürger jedoch weitaus drängendere Sorgen.

Nach den Wahlen sorgten provokante soziale Medien-Posts von regierungstreuen Abgeordneten für weiteren Unmut: Ein Politiker präsentierte etwa ein Luxusessen aus Monaco, ein anderer berichtete von seinem Urlaub auf den Malediven. Doch angeblich sollen die türkischen Bürger in erster Linie wegen der Hunde wütend sein.

Proteste in Istanbul, Izmir und anderen Städten zeigen eine seltene Einigkeit der Bürger gegen das geplante Gesetz. Viele fordern: "Schluss mit Schweigen, keine Angst, unsere Freunde gehören uns."

Es bleibt abzuwarten, ob das Gesetz letztlich verabschiedet wird. Die Straßenhunde bleiben unterdessen ein stiller Protest gegen eine Regierung, die zunehmend den Kontakt zur Realität verliert.