Während die Fassade von Harrods, dem bekanntesten Kaufhaus der britischen Hauptstadt, in festlichem Licht erstrahlt, brodelt es hinter den Kulissen. Ausgerechnet in der umsatzstärksten Zeit des Jahres kündigen Mitarbeiter einen Streik an.
Reinigungskräfte, Verkaufspersonal und Angestellte der Restaurants wollen die Arbeit niederlegen. Ihre Forderungen: höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und ein Weihnachtsgeld von 500 Pfund.
Bisher erhalten sie nur einen 50-Pfund-Gutschein, einzulösen im eigenen Haus – ein nahezu zynisches Angebot, wenn ein Kilo Dattelkonfekt bei Harrods stolze 170 Euro kostet.
Luxus nach außen, Druck im Innern
Harrods steht seit über 170 Jahren für Glanz und Glamour. Mit 90.000 Quadratmetern Verkaufsfläche und mehr als 330 Abteilungen ist es nicht nur das größte Warenhaus Europas, sondern auch eines der bekanntesten weltweit.
Im Weihnachtsgeschäft pilgern täglich bis zu 300.000 Besucher an die Brompton Road. Vor opulenten Schaufenstern, gestaltet vom italienischen Kaschmirhaus Loro Piana, drängen sich Einheimische wie Touristen.
Doch die Beschäftigten sehen wenig von diesem Glanz. „Harrods sollte als Luxushaus auch Standards für seine Mitarbeiter setzen“, kritisiert Alice Howick, die in einem der Restaurants arbeitet. Viele erhalten den Mindestlohn von 13,15 Pfund – nur knapp über dem britischen Minimum. Die Londoner Stadtverwaltung schätzt ein existenzsicherndes Gehalt auf 13,85 Pfund.
Der Konflikt verschärft sich durch Arbeitsbedingungen, die den Angestellten wenig Spielraum lassen. Reinigungskräfte berichten von Feiertagseinsätzen und Arbeitsmarathons von neun Tagen ohne Pause. Für sie ist der Streik eine Frage der Würde.
Die Schatten Al Fayeds
Die Unzufriedenheit kommt für Harrods zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn das Jahr war bereits überschattet von schweren Vorwürfen gegen den früheren Eigentümer Mohamed Al Fayed, der Harrods zwischen 1985 und 2010 leitete.
Eine BBC-Dokumentation brachte im September ans Licht, was viele jahrelang befürchtet hatten: Über 70 Frauen werfen Al Fayed Vergewaltigung und sexuellen Missbrauch vor, teils gegenüber Minderjährigen.
Al Fayed, der 2023 im Alter von 94 Jahren verstarb, war jahrzehntelang eine schillernde und umstrittene Figur. Sein Name bleibt untrennbar mit dem Kaufhaus verbunden, und die jüngsten Enthüllungen werfen Fragen zur damaligen Unternehmenskultur auf. Anwälte der Opfer sprechen von einer kollektiven Verantwortung des Managements: Wer wusste Bescheid? Wer schwieg?
Die heutigen Eigentümer, der Staatsfonds Qatar Investment Authority (QIA), distanzieren sich klar: „Das Harrods von heute ist eine ganz andere Organisation“, heißt es in einer Stellungnahme. Schon vor einem Jahr hatte das Management begonnen, Entschädigungen zu zahlen – über 250 Fälle wurden bislang finanziell kompensiert.
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Milliardenumsatz und Luxusboom
Trotz der internen Turbulenzen bleibt Harrods eine Goldgrube. Im Geschäftsjahr 2023/24 erzielte das Kaufhaus einen Umsatz von einer Milliarde Pfund, ein Plus von 8,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Vorsteuergewinn sank zwar auf 111,5 Millionen Pfund, doch dies lag vor allem an einmaligen Ausgaben für Pensionsverpflichtungen.
Die Attraktivität des Kaufhauses für internationale Kunden bleibt ungebrochen. Besonders Besucher aus den USA profitieren derzeit vom schwachen Pfund. Auch Kunden aus dem Nahen Osten sorgen für stabile Umsätze. Vor der Pandemie entfiel sogar die Hälfte der britischen Luxusausgaben dieser Gruppe auf Harrods.