75 Euro für zwei Liegen und einen Sonnenschirm – was wie ein Wucherpreis klingt, ist an vielen italienischen Stränden Realität. Doch die wahre Geschichte hinter diesen hohen Preisen ist weitaus komplexer und bedrohlicher.
Italiens Küsten sind nicht nur touristische Hotspots, sondern auch Schauplätze eines lukrativen Milliardengeschäfts, das von wenigen Familien kontrolliert wird und das organisierte Verbrechen anzieht.
Das Geschäft der Balneari: Monopole am Meer
Italienische Strände sind rechtlich Eigentum des Staates. Die kommerzielle Nutzung dieser Strände – sei es durch Restaurants, Bars oder Reihen von Sonnenschirmen und Liegestühlen – liegt jedoch in den Händen weniger Familien, die oft seit Jahrzehnten oder sogar Generationen die Konzessionen für bestimmte Strandabschnitte besitzen.
Diese Balneari genannten Strandbetriebe sind ein lukratives Geschäft: Bei minimalen Lizenzgebühren erzielen die Betreiber Umsätze von durchschnittlich 260.000 Euro pro Jahr, was einen Großteil der jährlichen Gesamteinnahmen von über zehn Milliarden Euro ausmacht.
Die Rolle der Mafia: Geldwäsche und kriminelle Netzwerke
Die lukrativen Margen und die laxen Kontrollen haben auch das organisierte Verbrechen auf den Plan gerufen. Die italienische Anti-Mafia-Behörde DIA warnt, dass die Mafia und kriminelle Clans in das Strandgeschäft eingestiegen sind, um illegale Einnahmen zu waschen und neue Einnahmequellen zu erschließen.
Laut Eleonora Poli vom Centro Politiche Europee ist das Geschäftsmodell der Balneari geradezu prädestiniert für Geldwäsche, da die niedrigen Betriebskosten und die hohen Einnahmen kaum hinterfragt werden.
Ein ungleicher Kampf: Widerstand und Rechtsunsicherheit
Der Widerstand gegen dieses undurchsichtige System wächst. Gerichtsurteile haben die Konzessionen der Strandbetreiber für ungültig erklärt, doch die Betreiberfamilien handeln weiterhin, als wäre nichts geschehen.
Gleichzeitig fordern EU-Institutionen seit Jahren eine transparente und faire Vergabe der Strandlizenzen, die es jedem Europäer ermöglichen würde, sich für eine solche Konzession zu bewerben.
Die italienische Regierung, zuletzt unter Giorgia Meloni, hat die Umsetzung dieser Forderungen jedoch immer wieder hinausgezögert.
Lokale Monopole: Wettbewerb bleibt auf der Strecke
Die Strände sind für viele Italiener und Urlauber zu einem Ärgernis geworden, denn in einigen Regionen sind weniger als ein Drittel der Küsten frei zugänglich. Auch wenn das italienische Recht vorschreibt, dass der Zugang zum Meer kostenfrei sein muss, berichten Kritiker, dass oft trotzdem Gebühren erhoben werden, nur um den Strand betreten zu dürfen.
Dies stellt nicht nur einen rechtlichen Missstand dar, sondern zeigt auch die fehlende Transparenz und den mangelnden Wettbewerb in diesem Geschäft.
Revolution am Horizont?
Der aktuelle Sommer könnte zum Wendepunkt werden. Demonstrationen und Besetzungen von Stränden nehmen zu, und die Stimmung ist angespannt.
„Der Kampf um die italienischen Küsten hat längst begonnen, und es sieht aus, als würde er im Sommer 2024 eskalieren“, prognostiziert Eleonora Poli.
Die Forderung nach einer transparenten Neuvergabe der Strandlizenzen könnte schließlich zu einer „Revolution“ führen, die das Monopol der Balneari-Familien erschüttern und den Zugang zu den Stränden neu regeln könnte.