Die Wahlversprechen sind da, und sie klingen gewaltig: Geringere Steuern, weniger Belastung, mehr Netto vom Brutto. Sowohl CDU/CSU als auch SPD haben Steuerentlastungen ganz oben auf der Agenda für die Bundestagswahl.
Die Rechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt: Es geht um Summen von bis zu 100 Milliarden Euro jährlich. Doch hinter den großen Zahlen steckt ein entscheidender Unterschied – und eine zentrale Frage: Wer bezahlt das Ganze?
Union: Steuererleichterungen im großen Stil
Die Union will breit entlasten: Arbeitnehmer, Mittelstand, Unternehmen. Der „Mittelstandsbauch“ in der Einkommensteuer, also die überproportionale Belastung mittlerer Einkommen, soll abgebaut werden.
Der Soli? Weg. Die Körperschaftsteuer für Firmen? Gesenkt. Dazu höhere Freibeträge bei der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer. Auch die Gastronomie darf hoffen: Wie in der Corona-Zeit soll der Mehrwertsteuersatz für Speisen auf sieben Prozent sinken.
CDU und CSU setzen also auf breite, pauschale Erleichterungen. Laut IW kämen so rund 90 Milliarden Euro zusammen. Der Haken? Eine Gegenfinanzierung bleibt unklar. Einsparungen, so heißt es, sollen die fehlenden Einnahmen ausgleichen. Doch konkrete Vorschläge sucht man vergebens. Tobias Hentze, Steuerexperte des IW, bringt es auf den Punkt:
„Einsparungen sind das Gebot der Stunde. Doch was genau gestrichen werden soll, bleibt offen.“
SPD: Entlastung für die Mehrheit, Mehrbelastung für die Top-Verdiener
Die SPD wählt einen anderen Weg. Ihre Entlastungen richten sich vor allem an Gering- und Normalverdiener. Die Einkommensteuer für 95 Prozent der Steuerzahler soll sinken, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent reduziert werden.
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Der Preis für diese Entlastungen? Höhere Steuern für die obersten fünf Prozent der Einkommen. Der Spitzensteuersatz soll steigen, Kapitalerträge künftig nicht mehr pauschal mit 25 Prozent besteuert werden, sondern individuell nach dem persönlichen Steuersatz.
Auch für Unternehmen hat die SPD einen Plan: Wer in Maschinen oder Geräte investiert, soll zehn Prozent der Kosten über eine Steuererstattung zurückbekommen. Eine gezielte Förderung, die die Wirtschaft ankurbeln soll. Kostenpunkt: rund 20 Milliarden Euro.
Der Unterschied zur Union: Die SPD hat zumindest Ideen, wie die Rechnung aufgeht. Eine gelockerte Schuldenbremse und höhere Einnahmen bei Reichen und Kapitalanlegern sollen die Ausfälle auffangen. Doch auch hier bleibt fraglich, wie viel davon tatsächlich umgesetzt wird.
Wie realistisch sind die Milliardenpläne?
Versprechungen gab es vor Wahlen schon immer. 2021 sprach die FDP von Entlastungen in Höhe von 88 Milliarden Euro, die Grünen immerhin von sechs Milliarden. Passiert ist wenig. Deutschland bleibt ein Hochsteuerland.
Arbeitnehmer zahlen hier so viel wie kaum anderswo in der OECD, Unternehmen stemmen eine Steuerlast von durchschnittlich 29 Prozent. Länder wie Frankreich (24 Prozent) und Italien (22 Prozent) sind längst attraktiver.
Das Problem liegt nicht nur an fehlendem politischen Willen. Die wichtigsten Steuerarten – Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer – sind sogenannte Gemeinschaftssteuern. Will der Bund hier etwas senken, müssen die Länder zustimmen. Genau das wurde zuletzt beim Wachstumschancengesetz deutlich, als die Länder höhere Entlastungen blockierten.
Wachstum oder Umverteilung? Zwei Ansätze, ein Ziel
Die Union setzt auf Wachstum. Steigen die Einnahmen durch mehr wirtschaftliche Aktivität, so die Hoffnung, füllt sich auch die Staatskasse. Jeder Prozentpunkt mehr Wachstum bringe zehn Milliarden Euro zusätzlich.
Die SPD hingegen sieht in der Umverteilung den Schlüssel: Mehr Steuern von Wohlhabenden, weniger Belastung für die breite Masse.
Steuerexperten sind skeptisch. „Entlastungen in dieser Größenordnung sind fiskalisch ambitioniert“, sagt Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Übersetzt: Es klingt gut, wird aber schwer umzusetzen.
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