Die Erfahrung von Einsamkeit hat sich im sozialen Gefüge unserer Zeit verlagert und wirft Fragen nach der Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen auf, insbesondere im Kontext der heutigen digitalen Kommunikationswege. Eine kürzlich veröffentlichte Studie liefert neue Erkenntnisse über das Phänomen der Einsamkeit und zeigt auf, dass junge Erwachsene sowie Senioren zunehmend von diesem Gefühl betroffen sind.
Die Untersuchung, die im Fachjournal "Psychological Science" präsentiert wurde, offenbart, dass der Verlauf der empfundenen Einsamkeit über die Lebensspanne hinweg einem U-förmigen Muster folgt. Der Beginn des Erwachsenenalters und das späte Lebensalter sind dabei besonders hervorgehoben. Während die gemeldeten Einsamkeitsgefühle mit fortschreitendem Lebensalter bis zur Lebensmitte abnehmen, steigen sie nach dem 60. Lebensjahr wieder an und erreichen bei etwa 80-Jährigen einen wesentlichen Höhepunkt.
Dieses Muster wirft die Frage auf, ob die Abnahme der Einsamkeit in der Lebensmitte auf die diversen sozialen Kontakte und stabilen Beziehungen zurückzuführen ist, die viele Menschen in dieser Lebensphase durch Arbeit, Familie und Gemeinschaft erfahren. Eileen K. Graham, eine der leitenden Autoren der Studie und assoziierte Professorin für medizinische Sozialwissenschaften an der Northwestern University Feinberg School of Medicine, weist darauf hin, dass diese sozialen Kontakte im fortgeschrittenen Alter tendenziell schwächer werden.
Das Interessante an diesen Ergebnissen ist, dass sie eine verstärkte Einsamkeit in einer Zeit aufzeigen, in der die physische Präsenz in sozialen Organisationen und Gemeinschaften nachlässt und digitale Interaktionen zunehmen. Insbesondere für junge Menschen scheint die virtuelle Kommunikation kein vollkommenes Gegenmittel gegen das Gefühl der Isolation zu sein. Der Surgeon General Vivek Murthy unterstreicht die Bedeutung der "sozialen Muskeln", die ähnlich wie physische Muskeln verkommen, wenn sie nicht regelmäßig trainiert werden.
Die Ergebnisse dieser Langzeitstudie, die Daten von den 1980er Jahren bis 2018 erfasst, signalisieren eine wichtige gesellschaftliche Herausforderung. Sie legen nahe, dass es einen Bedarf für stärkere soziale Bindungen und die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen gibt, die über das reine Online-Engagement hinausgehen. Hieraus ergeben sich nicht nur Fragen für die Sozialpolitik; auch jede/jeder Einzelne ist gefragt, das eigene soziale Netzwerk bewusst zu stärken und einsame Phasen aktiv zu durchbrechen.