Nach 13 Jahren Bürgerkrieg und dem plötzlichen Machtverlust von Baschar al-Assad wirkt der Übergang zur neuen syrischen Regierung erstaunlich ruhig.
Mohammed al-Baschir, ein ehemaliger Ingenieur und nun Übergangspremier, spricht von Stabilität und Ruhe – Worte, die Syriens Bevölkerung lange nicht gehört hat. Doch ein genauerer Blick auf die neue Führung und deren islamistische Wurzeln wirft Zweifel auf.
Ein geordneter Übergang – oder nur Fassade?
Die Bilder aus Damaskus überraschen: Baschir übernimmt offiziell das Amt, Gespräche mit ehemaligen Ministern verlaufen sachlich, die Polizei bleibt auf den Straßen präsent. Der Eindruck: Ein geordneter Regierungswechsel, wie ihn viele Kriegsstaaten vermissen lassen.
Doch hinter den Kulissen ist die Lage weit weniger harmlos. Baschir verdankt seine Position nicht freien Wahlen, sondern der Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS), einer Abspaltung der Terrororganisation al-Qaida.
Die HTS beherrschte bislang die Region Idlib und installierte dort eine „Heilsregierung“. Diese Struktur wird nun auf ganz Syrien übertragen – ein beunruhigendes Signal.
Wer ist Mohammed al-Baschir?
Baschir, ein 41-jähriger studierter Elektroingenieur, wird in offiziellen Berichten als moderater Technokrat dargestellt. Doch sein Lebenslauf deutet auf mehr hin. Nach seiner Arbeit für Syriens Gasgesellschaft leitete er später Bildungsprojekte in Idlib – und erwarb ein Diplom in islamischem Recht. Seine Nähe zur Scharia und sein Auftreten als konservativer Muslim spiegeln die Ideologie der HTS wider.
Zwar ließ Baschir in Idlib Demonstrationen zu und unterzeichnete eine Amnestie für Gefangene, doch die Entscheidungen im Hintergrund traf der HTS-Rat. Damit bleibt die Frage offen, ob Baschir als Premierminister wirklich unabhängig handeln kann oder nur ein Werkzeug der Miliz bleibt.
Die HTS: Demokratischer Wandel oder alter Terror?
Während Baschir Stabilität verspricht, legt die HTS Führungsansprüche auf die gesamte Übergangsregierung. In einer Erklärung ihres Kommandos fordert sie die Überarbeitung der UN-Resolution 2254.
Diese sieht eine neue, demokratische Verfassung und freie Wahlen vor. Doch die Miliz stellt „die neuen Realitäten“ in den Vordergrund – ein Hinweis darauf, dass ihre Version einer Verfassung wohl keine westlichen demokratischen Standards erfüllen wird.
Zudem fällt auf, dass der Großteil der Übergangsregierung aus früheren Mitgliedern der HTS-Gegenregierung besteht. Jedes Ministerium wird nun von Ressortchefs aus Idlib geleitet – eine fragwürdige Basis für einen inklusiven Neuanfang.
Die Rolle der internationalen Gemeinschaft
Die Welt schaut mit gemischten Gefühlen auf Syrien. Regierungen bemühen sich, Kontakte zur neuen Führung aufzubauen, doch gleichzeitig wächst die Skepsis. Der UN-Sondergesandte Geir Pedersen traf al-Baschir und HTS-Chef al-Dscholani, doch konkrete Fortschritte wurden nicht erzielt.
Die EU und Deutschland stehen vor einem Dilemma: Sollen sie die Übergangsregierung anerkennen und riskieren, ein Regime mit fragwürdiger Vergangenheit zu legitimieren? Oder sollen sie weiterhin Druck auf die HTS ausüben und damit möglicherweise den Wiederaufbau behindern?
Was kommt nach dem 1. März?
Bis zum 1. März 2025 soll die Übergangsregierung im Amt bleiben. Doch schon jetzt mehren sich die Zweifel, ob danach wirklich freie Wahlen folgen. Für viele Syrer bleibt die HTS eine Organisation mit terroristischen Wurzeln, deren Ziel kein demokratisches Syrien ist, sondern eine Herrschaft nach streng islamischem Recht.
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