Sri Lanka erlebt eine bemerkenswerte politische Transformation. Anura Kumara Dissanayake, Kandidat einer Partei mit marxistischen Wurzeln, triumphierte überraschend bei den Präsidentschaftswahlen am 21. September und führte seine Nationale Volkskraft (NPP) am 14. November zu einem überwältigenden Sieg im Parlament. Die Partei gewann 159 von 225 Sitzen – genug, um die Verfassung zu ändern. Noch im letzten Parlament hatten sie lediglich drei Sitze inne.
Diese Entwicklung ist ein deutliches Signal an die politischen und wirtschaftlichen Eliten Südasiens, insbesondere angesichts der jüngsten politischen Umwälzungen in Pakistan, Indien und Bangladesch. Dissanayakes Sieg könnte auch das Machtspiel zwischen China und Indien in der Region verschärfen, da seine Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) in der Vergangenheit Verbindungen zu China hatte. Zudem stellt er den Internationalen Währungsfonds (IWF) auf die Probe, da er die Überprüfung eines Milliarden-Hilfspakets zugesagt hat.
Jedoch bringt der Ausgang der Wahl auch Fragen für Dissanayake mit sich. Was plant der "Genosse Präsident" mit seinen neuen umfassenden Kompetenzen? Und wie wird sein ideologischer Hintergrund seine Entscheidungen prägen? Es bleibt abzuwarten, ob er die hohen Erwartungen der Wähler erfüllen kann und inwieweit er Kritik und Opposition zulassen wird, falls die öffentliche Unterstützung nachlässt.
Dissanayakes Wahlkampf basierte auf dem Versprechen, die endemische Korruption zu bekämpfen, ein Thema, das nach dem Schuldenausfall Sri Lankas 2022 und den Massenprotesten gegen den damaligen Präsidenten großen Anklang fand. Trotz Stabilisierung der Wirtschaft und einem Hilfspaket von 2,9 Milliarden Dollar bestrafte die Öffentlichkeit den Nachfolger wegen anhaltender Korruption und Sparmaßnahmen im September.
Kritiker warnten vor ihm als gefährlichem Radikalen und verwiesen auf die gescheiterten Aufstände der JVP in den 1970er und 1980er Jahren. Doch Dissanayake hat sich bislang als pragmatisch erwiesen, indem er die Regierung mit einem schlanken Kabinett von nur drei Personen führte, ohne die Märkte zu verunsichern. Die erneute Berufung von Harini Amarasuriya als Premierministerin und die ausgewogene Zusammensetzung des neuen Kabinetts deuten auf einen bedachten Ansatz hin.
Besonders bemerkenswert ist seine Handhabe gegenüber dem IWF. Trotz anfänglicher Bedenken, er könnte drastische Veränderungen des Rettungsplans einfordern, hat Dissanayake das bestehende Abkommen bestätigt. Dies ist entscheidend für die Stabilität der Wirtschaft. Gleichzeitig plädierte er jedoch für erhöhte soziale Ausgaben und ein ausgewogenes Herangehen an die ökonomischen Herausforderungen. Längerfristige Themen wie Wachstumsstrategien bleiben jedoch unklar.
Ein vorläufiger Haushaltsplan wird in den kommenden Wochen erwartet und könnte wichtige Einblicke geben. Bis dahin ist die Erleichterung über den Machtwechsel in Sri Lanka deutlich spürbar, da sich das Land von einer politischen Riege verabschiedet, die die Wirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs geführt hatte.