Die SPD hat sich in der Diskussion um ihren Kanzlerkandidaten Zeit gelassen und damit bewusst ein Zeichen gesetzt. Während CDU/CSU und Grüne ihre Spitzenkandidaten bereits frühzeitig benannten, zog es die SPD vor, die Nomination von Olaf Scholz hinauszuzögern. Ursprünglich war geplant, ihn erst zum regulären Wahltermin im Juni zu nominieren, selbst nach vorgezogenen Neuwahlen blieb der geplante Nominierungstermin lange unbekannt.
Selbst als Scholz, nach dem plötzlichen Bruch der Koalition, für kurze Zeit Sympathien innerhalb der Partei gewann, entschied sich die Parteiführung gegen eine sofortige Nominierung. Dieses Zögern wird als Misstrauensvotum interpretiert, das sich gegen den Kanzler richtete. Mit diesem Vorgehen wollte die Parteispitze eine Möglichkeit zur Rückkehr offenhalten, indem mögliche Alternativen, wie Innenminister Pistorius, abzuwarten waren.
Scholz wurde somit der kritischen Stimmung an der Parteibasis ausgesetzt, die, wenig überraschend, alles andere als optimistisch gestimmt ist. Das Manöver zeigt, wie die SPD zwischen innerparteilichen Spannungen und strategischen Überlegungen balanciert.