Die traditionsreiche nordirische Werft Harland & Wolff, legendär als Bauort der Titanic, steht vor einem neuen Kapitel in ihrer wechselvollen Geschichte. Der staatlich geführte spanische Schiffbauer Navantia wird voraussichtlich am Donnerstag die Übernahme von Harland & Wolff bekanntgeben, nachdem dessen Muttergesellschaft zahlungsunfähig wurde. Die Übernahme beinhaltet auch die Standorte in Schottland und England.
Navantia pflegt bereits eine bestehende Geschäftsbeziehung mit Harland & Wolff und ist Hauptauftragnehmer für den Bau von Unterstützungsschiffen für die britische Royal Navy, wobei Harland & Wolff als Subunternehmer fungiert. Angesichts steigender Kosten wird die britische Regierung möglicherweise die Vertragsbedingungen verbessern.
Rund 1.200 Angestellte arbeiten in den großen Standorten Belfast, Appledore in England sowie Methil und Arnish in Schottland. Navantia selbst, mit Hauptsitz im südspanischen Cádiz, beschäftigt über 4.000 Menschen und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von etwa 1,3 Milliarden Euro.
Seit seiner Gründung im Jahr 1861 erlebte Harland & Wolff Höhen und Tiefen, dominiert in den frühen 1900er Jahren die globale Schiffsbauszene, geriet aber nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder in Krisen. 2019 fiel die Werft in Insolvenz und wurde von der kleinen Londoner Energiegesellschaft Infrastrata übernommen, die sich schließlich in Harland & Wolff umbenannte.
Trotz eines Royal Navy-Auftrags im Jahr 2022 kämpfte Harland & Wolff mit finanziellen Verlusten und vermehrt hochverzinslichen Krediten. Ein staatlicher Darlehensgarantiebescheid über 200 Millionen Pfund wurde als zu riskant betrachtet. Im September schlitterte die Holdinggesellschaft in die Verwaltung und der Restrukturierungsexperte Russell Downs wurde mit der Suche nach einem neuen Eigentümer beauftragt.