Die Geduld der neuen Eigentümer scheint begrenzt. Keine drei Monate nach dem Einstieg der japanischen SBI-Gruppe bei Solaris hat der neue Mehrheitseigner offenbar begonnen, die Führungsstruktur der Berliner Digitalbank grundlegend zu überdenken.
Konkret: Die Suche nach einem neuen Vorstandsvorsitzenden läuft. Carsten Höltkemeyer, der aktuelle CEO, wird den Kurs wohl nicht mehr lange bestimmen.
Die Japaner, die inzwischen rund 85 Prozent der Anteile halten, wollen Solaris auf ein neues Gleis setzen – und das offenbar ohne den Mann, der die Krisenjahre durchgestanden hat.
Von der Bühne zum Abstellgleis?
Noch vor wenigen Tagen stand Höltkemeyer auf der Bühne des Berliner FIBE-Festivals und sprach ungewohnt offen über seine Zeit an der Spitze von Solaris. „Mehrmals fast pleite“, „schlaflose Nächte“, „mehrmals bereut“.
Es war ein bemerkenswerter Auftritt. Kein PR-Manöver, sondern ein ehrlicher Rückblick auf zwei Jahre Sanierungsarbeit. Die Frage, ob er den CEO-Posten heute noch einmal annehmen würde, beantwortete Höltkemeyer mit einem klaren „mehrfach Nein“.
Doch der Rückblick könnte zugleich der Schlusspunkt gewesen sein. Intern, so berichten mit dem Vorgang vertraute Personen, hat SBI bereits Headhunter mit der Suche nach einer neuen Führungspersönlichkeit beauftragt.

Gesucht wird jemand, der nicht nur die regulatorischen und technischen Altlasten bereinigt, sondern Solaris auch strategisch neu ausrichtet – internationaler, technologieoffener und insbesondere stärker auf den Krypto- und Blockchain-Markt ausgerichtet.
Neue Strategie, neue Führung
Dass SBI neue Impulse setzen will, überrascht kaum. Die Gruppe gehört zu den aktivsten Fintech-Investoren Asiens und verfügt über ein weitreichendes Netzwerk in Bereichen wie Kryptohandel, digitale Vermögenswerte, Tokenisierung und Neobanking.
Solaris, das in der Vergangenheit vor allem durch Partnerschaften mit Unternehmen wie Vivid, Samsung Pay und Tomorrow in Erscheinung trat, könnte nun von dieser globalen Infrastruktur profitieren – allerdings nur mit einer Geschäftsführung, die diese Vision mitträgt.
Der potenzielle neue CEO soll dem Vernehmen nach eine Kombination aus klassischer Bankenexpertise und digitaler Weitsicht mitbringen. Wichtig sei auch eine Affinität zur japanischen Unternehmenskultur – und zur Token-Ökonomie, wie sie SBI zunehmend vorantreibt.
Dabei gehe es nicht nur um neue Produkte, sondern auch um eine stärkere Verzahnung mit den bestehenden SBI-Sparten in Asien.
Krisenmodus seit Jahren
Seit dem Börsenhype rund um Fintechs wie N26 oder Revolut ist es ruhig geworden um Solaris. Dabei galt das Unternehmen einst als Hoffnungsträger einer neuen, API-basierten Bankenarchitektur. Statt selbst Bankdienstleistungen für Endkunden anzubieten, stellte Solaris die Infrastruktur für andere Firmen bereit – eine Art „Bank-as-a-Service“.
Doch spätestens seit 2022 läuft vieles schief. Die Bundesbank monierte Mängel bei Risikomanagement und Geldwäscheprävention. Die BaFin schritt mehrfach ein, ein Sonderbeauftragter wurde installiert. Dazu kamen Ausstiege namhafter Kunden wie Trade Republic und Finanzierungsengpässe.
Von den ehemals angekündigten Mega-Finanzierungsrunden ist nicht viel übrig geblieben – 2023 wurde das Unternehmen nur noch mit rund 140 Millionen Euro bewertet. Weit entfernt von den Milliardenfantasien der frühen Jahre.
Höltkemeyers Bilanz
Es wäre zu kurz gegriffen, Höltkemeyer allein für diese Entwicklung verantwortlich zu machen. Als er im Frühjahr 2023 übernahm, war Solaris bereits tief in Schwierigkeiten.
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Der erfahrene Banker – zuvor bei der Deutschen Bank, anschließend Vorstand bei Barclaycard – übernahm ein Unternehmen im Krisenmodus. Unter seiner Führung wurde restrukturiert, die Kostenbasis reduziert und ein klareres regulatorisches Setup aufgebaut. Die Partnerschaft mit SBI gilt als sein größter Erfolg – und womöglich als sein letzter.
„Ich komme aus dem Fußball“, sagte Höltkemeyer auf dem FIBE-Event. „Da zieht man Verträge durch.“ Doch die Realität in Start-ups – auch jenen mit Banklizenz – orientiert sich weniger an Sportethik als an strategischen Machtverhältnissen.
Und jetzt?
Wann die Personalie öffentlich gemacht wird, ist noch offen. Laut Insiderkreisen soll der Wechsel spätestens bis zum Sommer 2025 abgeschlossen sein. Auch andere Posten im Vorstand könnten neu besetzt werden. Klar ist: Die Richtung des Hauses ändert sich, und sie wird künftig stärker durch Tokio als durch Berlin geprägt sein.
Ob Solaris in dieser neuen Konstellation endlich den Sprung aus der Nische schafft – oder ob der nächste Strategiewechsel nur ein weiterer in einer langen Reihe bleibt –, wird sich zeigen. Die SBI-Gruppe hat ihre Ambitionen jedenfalls deutlich gemacht. Und sie beginnt damit ganz oben.