22. November, 2024

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Smogalarm in Neu-Delhi: Luftverschmutzung erreicht alarmierende Höhen

Smogalarm in Neu-Delhi: Luftverschmutzung erreicht alarmierende Höhen

Die Wintersmog-Saison in Indien hat Neu-Delhi mit voller Wucht getroffen und die Millionenmetropole in einen giftigen, gelblichen Dunst gehüllt. Im November vermischen sich die Rauchschwaden von abgebrannten Stoppelfeldern aus den nördlichen und westlichen Regionen mit den üblichen Abgasen von Fahrzeugen, Fabriken und Kraftwerken. Die kühle Luft hält diese Mischung fest und beschert der Hauptstadt einige der schlechtesten Luftwerte weltweit. In Indien gilt eine Luftverschmutzung, die mit einem Air Quality Index (AQI) von 400 oder höher gemessen wird, als "schwerwiegend". Während die Messstationen in Neu-Delhi bei 500 Punkten enden, erreichte der AQI in dieser Woche laut der IQAir-App Spitzenwerte von 1.743. Selbst ein kurzer Aufenthalt im Freien führt bereits zu Atembeschwerden. Während sich einige der Wohlhabenderen in Neu-Delhi in ihre mit Luftreinigern ausgestatteten Häuser zurückziehen oder in die Himalaya-Regionen flüchten, müssen die ärmeren Bevölkerungsschichten mit der giftigen Luft zurechtkommen. Ein fester Bestandteil der Wintersmog-Saison ist das politische Schuldzuweisungsspiel. Kritiker von Premierminister Narendra Modi werfen seiner Regierung vor, ein nationales Gesundheitsproblem zu ignorieren, das nach einer Studie von 2019 jährlich ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts kostet. Anhänger geben hingegen der Aam Aadmi Partei die Schuld, die in Delhi und Punjab, wo viele der Brandrodungen stattfinden, Regierungsverantwortung trägt. Umweltaktivisten betonen, dass beide Seiten das eigentliche Problem verkennen. "Die Durchsetzung bestehender Gesetze ist der große Schwachpunkt", sagt Mohit Beotra, Mitbegründer der Air Pollution Action Group. "Gleichzeitig bietet dies eine Chance: Wenn jemand an höchster Stelle entschließen würde, sich dem Problem anzunehmen, ließe sich Fortschritt erzielen." Der sogenannte "Winterdunst", wie es die indischen Medien nennen, ist ein kollektives Handlungsproblem. Aktivisten betonen die Notwendigkeit von entschlossenem Regierungshandeln sowie idealerweise einer länderübergreifenden Zusammenarbeit, um das Problem zu lösen. Ein Teil des Smogs, der derzeit Neu-Delhi einhüllt, stammt aus den Ziegeleien, Fabriken und Agrarbetrieben Pakistans und sogar aus Afghanistan. Der Wind in Südasien weht meist von Nordwest nach Südost, wodurch die Verschmutzung auch nach Bangladesch gelangt. China, Indiens geopolitischer Rivale, hat es in den vergangenen zehn Jahren geschafft, die Luftverschmutzung erheblich zu reduzieren. Anders als Indien mit seiner dezentralisierten Demokratie ist China jedoch ein Einparteienstaat, in dem Entscheidungen von oben getroffen werden. Indien benötigt laut Umweltaktivisten einen kooperativeren Ansatz. Bharati Chaturvedi, Gründerin der Umweltorganisation Chintan, schlägt als ersten Schritt ein Luftverschmutzungs-Konsortium vor. Kleine, aber effektive Maßnahmen könnte der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs oder effektivere Staubkontrollen darstellen. Auch die Wirtschaft sollte eine aktive Rolle übernehmen. Eine hochrangige Konferenz der größten Wirtschaftsbosse in Mumbai könnte helfen, Verantwortungen zu klären und Beiträge zu leisten. Ein Schlüsselelement bleibt die Durchsetzung bestehender Gesetze. Strohverbrennungen sind beispielsweise strafbar; ebenso müssen Thermalkraftwerke und Unternehmen, die Staub verursachen, zur Einhaltung gezwungen werden. Ein Maßnahmenbündel, das auf die Beseitigung von verstreuten Verschmutzungsquellen abzielt, zeigt bereits Erfolge: Eine Studie des IIT Delhi weist auf eine Verringerung der PM2.5-Werte um 15 bis 26 Prozent in den betroffenen Gebieten hin. Die indische Regierung hat bereits bei großen Projekten wie der "Swachh Bharat"-Kampagne ihre Bereitschaft zur Umsetzung bewiesen. Ein ähnlicher missionarischer Ansatz ist zur Bekämpfung der Luftverschmutzung erforderlich – und ein entschlossener Einsatz von höchster Ebene. Die leidgeplagten Bewohner Neu-Delhis hoffen, dass der diesjährige Smog ein Wendepunkt sein könnte.