Der Texas Two-Step: Johnson & Johnsons kreative Insolvenzstrategie
Johnson & Johnson, ein globaler Pharmariese, steht wegen seines Talkumpuders und der angeblich krebserregenden Risiken unter Druck. Um Milliardenforderungen zu entgehen, hat das Unternehmen den sogenannten „Texas Two-Step“ gewählt – eine umstrittene juristische Strategie, die Kläger nun als Flucht vor Verantwortung kritisieren.
Durch die Aufspaltung in Tochtergesellschaften und einen gezielten Insolvenzantrag versucht J&J, sich den Produkthaftungsforderungen zu entziehen, ohne das Gesamtunternehmen zu belasten. Der aktuelle Schachzug könnte in Texas kurz vor der Genehmigung stehen – was bleibt, ist ein erbitterter Streit.
Ein Milliardenkonzern in der Insolvenz? Ein juristisches Schlupfloch
Im Mittelpunkt steht der Insolvenzantrag einer neuen Tochtergesellschaft von Johnson & Johnson namens Red River Talc. Das Vehikel, gegründet in Texas und auf die Talkum-Haftung begrenzt, meldete Insolvenz an, nachdem 83 Prozent der Kläger einem Vergleich zugestimmt hatten.
Die Strategie: durch Chapter 11 und festgelegte Vergleichssummen die Haftung einzudämmen. Während die Kläger eine Zahlung erhalten, bleibt J&J als Mutterkonzern nahezu unberührt – und das hat Kritiker auf den Plan gerufen. Sie werfen dem Unternehmen vor, mit Tricks den Gerichten und Opfern auszuweichen.
Opfer, die sich betrogen fühlen
Obwohl viele Kläger die Aussicht auf schnelle Entschädigungszahlungen begrüßen, sind nicht alle einverstanden. Gegner der Lösung werfen J&J Stimmenkauf vor und bemängeln die mangelnde Transparenz bei der Einigung.
Einige Anwälte warnen, dass das Unternehmen sich die Vorteile von Chapter 11 sichert, ohne die finanzielle Notlage zu durchlaufen, die normalerweise eine Insolvenz rechtfertigt. Die Einigung umfasst rund 8 Milliarden Dollar – eine Summe, die viele als zu gering erachten, um die Risiken und Schäden für die Opfer zu kompensieren.
Das Justizministerium greift ein – vergeblich?
Das US-Justizministerium hat bereits interveniert, um den Fall nach New Jersey zurückzubringen, wo strengere Insolvenzregeln gelten. Es bezeichnet den „Texas Two-Step“ von J&J als „Lehrbuchbeispiel für Bösgläubigkeit“. Doch bislang blieben diese Bemühungen erfolglos.
Das texanische Insolvenzgericht scheint bereit, die Einigung zu genehmigen und die Klagen endgültig zu schließen. Sollte dies geschehen, würde J&J zum Vorbild für andere Konzerne, die ähnliche Taktiken anwenden könnten, um sich von Altlasten zu befreien, ohne sich den vollständigen Konsequenzen ihrer Produkthaftung zu stellen.
Der Kampf um die Rechtmäßigkeit
J&J besteht darauf, dass es nicht darum gehe, sich der Verantwortung zu entziehen, sondern eine faire Lösung für alle Beteiligten zu finden. Die finanziellen Zusagen für das Tochterunternehmen würden den Opfern hohe Garantien geben und zugleich das Mutterunternehmen vor unkontrollierten Klagen schützen, argumentiert J&J. Doch viele bezweifeln die Aufrichtigkeit dieser Argumente. Sie sehen in der Insolvenztaktik einen neuen Weg, sich vor der Gerechtigkeit zu drücken und die Opfer auf eine Minimalentschädigung zu beschränken.
Was bedeutet der Fall für die Zukunft?
Der umstrittene Fall zeigt, wie große Konzerne juristische Schlupflöcher nutzen, um sich vor den Konsequenzen veralteter Produkte zu schützen. Sollte der „Texas Two-Step“ letztlich erfolgreich sein, könnte er Signalwirkung für andere Unternehmen haben, denen hohe Produkthaftungen drohen.
Für die Opfer und die Klägeranwälte bleibt jedoch die Hoffnung auf ein Eingreifen des Obersten Gerichtshofs. Andernfalls droht ein Präzedenzfall, der das Vertrauen in die Produkthaftungsrechte vieler Amerikaner nachhaltig erschüttern könnte.