Europas Abkehr von russischem Gas war ein wichtiger Schritt nach Beginn des Ukraine-Kriegs. Doch während sich die Politik auf Gas konzentrierte, gibt es andere Rohstoffe, bei denen die Abhängigkeit weiterhin besteht – und in manchen Fällen sogar zunimmt.
Besonders Metalle wie Titan und Nickel sowie angereichertes Uran sind entscheidende Ressourcen, bei denen Alternativen rar sind. Russlands Präsident Putin droht nun mit neuen Exportbeschränkungen. Wie unabhängig ist Europa wirklich?
Gas: Die vermeintliche Unabhängigkeit
Vor dem Krieg lieferte Russland 40 Prozent des in Europa verbrauchten Gases. Das hat sich drastisch verändert. Durch Importe von Flüssigerdgas (LNG) aus den USA und anderen Ländern konnte der Gasbedarf gedeckt werden. Doch der Markt bleibt fragil.
Die Gasspeicher in Europa sind zwar voll, aber die hohen Preise und Unsicherheiten im Winter könnten die Lage verschärfen. „Die Angst vor Lieferengpässen ist da, aber sie wird etwas übertrieben“, meint Energieexperte Walter Boltz. Solange die Temperaturen im Winter nicht extrem sinken, sei die Lage unter Kontrolle.
Interessant: Trotz der Sanktionen gegen Russland stammen noch 18 Prozent des europäischen LNG aus dem russischen Unternehmen Novatek. Die Gasabhängigkeit ist also nicht völlig verschwunden.
Öl: Ein unverzichtbarer Rohstoff
Während Gasimporte reduziert wurden, bleibt die Welt stark abhängig von russischem Öl. Zwar kauft Europa kaum noch Öl aus Russland, doch der Rohstoff findet neue Abnehmer in Asien.
„Russisches Öl kann niemand so leicht ersetzen“, erklärt Sergey Vakulenko, früherer Strategiechef von Gazprom Neft.
Der Ölmarkt hat sich durch die Sanktionen verschoben, aber Russland bleibt ein globaler Akteur. Europa zahlt nun höhere Preise, da Öl verstärkt aus dem Nahen Osten importiert wird. Doch ganz ohne russisches Öl kommt die Weltwirtschaft weiterhin nicht aus.
Titan und Nickel: Ein unterschätztes Problem
Eine der größten Herausforderungen für Europa sind Metalle wie Titan und Nickel. Besonders in der Luftfahrt spielt Titan eine zentrale Rolle. Der russische Konzern VSMPO-Avisma beliefert seit Jahren Boeing und Airbus – eine Abhängigkeit, die sich nur schwer lösen lässt.
Zwar versuchen die Unternehmen, alternative Lieferanten zu finden, doch das geht nicht von heute auf morgen. Noch immer kaufen viele Zulieferer weiterhin Titan aus Russland.
Nickel ist ebenfalls ein kritischer Rohstoff, der in der Elektroindustrie unverzichtbar ist. Russland ist einer der größten Produzenten. Trotz aller Bemühungen kommt ein Großteil des europäischen Nickels nach wie vor aus Russland. Auch hier gibt es bisher nur wenige Alternativen.
Uran: Das heikle Thema
Besonders kritisch ist die Situation bei angereichertem Uran. Russland liefert 33 Prozent des globalen Uranbedarfs, und viele osteuropäische Länder sowie Finnland sind auf russisches Uran angewiesen, da ihre Atomkraftwerke auf russischer Technologie basieren.
Obwohl die EU den Anteil russischen Urans reduziert hat, bleibt die vollständige Unabhängigkeit in weiter Ferne. In den USA ist der Anteil russischen Urans sogar gestiegen.
Putin hat angedeutet, dass es zu neuen Exportbeschränkungen bei Uran kommen könnte. Dies könnte zu erheblichen Engpässen in Europa führen, da es schwierig ist, schnell alternative Lieferanten zu finden.
Ein geopolitisches Spiel
Russland nutzt seine Rohstoffe als geopolitisches Druckmittel. Die Abhängigkeit Europas von Metallen und Uran bleibt bestehen. Zwar wurde die Gas- und Öl-Abhängigkeit verringert, doch bei vielen anderen Rohstoffen bleibt Russland ein wichtiger Lieferant.
Die Gefahr, dass Putin diese Ressourcen als Druckmittel einsetzt, ist real. Europa hat zwar Fortschritte gemacht, aber der Weg zur völligen Unabhängigkeit ist noch lang.
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