Der Energietechnikkonzern Siemens Energy hat im vergangenen Geschäftsjahr einen milliardenschweren Rekordverlust verzeichnet. Die Ursache hierfür sind die Probleme im Windkraftgeschäft, welche die Bilanz regelmäßig beeinträchtigen. Auch für das neue Geschäftsjahr 2023/24 erwartet das Management um Konzernchef Christian Bruch einen hohen Verlust bei Siemens Gamesa. Die Gewinnschwelle wird voraussichtlich erst 2025/26 erreicht - zwei Jahre später als ursprünglich geplant.
Dennoch gerieten diese Zahlen aufgrund der Einigung von Siemens Energy mit Banken und dem Bund über Garantien zur Absicherung von Aufträgen sowie einer Abmachung mit der ehemaligen Konzernmutter Siemens über den Verkauf von Anteilen des Indien-Geschäfts zur Stärkung der Bilanz in den Hintergrund. Dieses Thema stand auch im Fokus des Finanzmarkts. Einige Analysten sehen nun das Risiko einer Kapitalerhöhung zunächst einmal als gesunken an. Finanzvorständin Maria Ferraro äußerte jedoch auf einer Analystenkonferenz, dass eine solche Maßnahme in Zukunft durchaus eine Option sein könnte.
Die im DAX notierte Aktie von Siemens Energy verzeichnete zwischenzeitlich einen Anstieg um fast neun Prozent. Am frühen Nachmittag lag der Kurs immer noch bei knapp sechs Prozent im Plus. Der Aktienkurs war nach Bekanntwerden der Gespräche mit dem Bund massiv eingebrochen.
Am Vortag gab das Bundeswirtschaftsministerium einen Durchbruch bei den Garantien für Siemens Energy bekannt. Private Banken gewährten dem Unternehmen Garantien in Höhe von insgesamt 12 Milliarden Euro, teilweise abgesichert durch eine Bürgschaft des Bundes in Höhe von 7,5 Milliarden Euro. Insgesamt geht es um Garantien in Höhe von 15 Milliarden Euro, mit denen Aufträge abgesichert werden sollen. Siemens Energy führt zudem Gespräche mit anderen Ländern wie Spanien über Garantien als Teil des Pakets. Dabei sollen laut dem Unternehmen 3 Milliarden Euro von anderen Beteiligten kommen. Diese Summe soll durch staatliche Programme in anderen Ländern, der EU und der Optimierung von Garantien gesichert werden.
Zusätzlich wird Siemens Energy 18 Prozent der indischen Gesellschaft Siemens Limited an seinen früheren Mutterkonzern Siemens verkaufen, um die Bilanz zu verbessern. Bisher hält Energy noch 24 Prozent daran. Der Erlös aus dem Verkauf wird voraussichtlich bei 2,1 Milliarden Euro liegen.
Siemens Energy und Siemens haben sich auch darauf geeinigt, dass Siemens ein mögliches Ausfallrisiko der Garantien von bis zu einer Milliarde Euro absichert. Hierfür ist unter anderem ein Aktienpaket von fünf Prozent an dem Indien-Geschäft vorgesehen. Siemens wird dem Technologiekonzern keine neuen Garantien gewähren.
Im neuen Geschäftsjahr werden die Probleme bei Siemens Gamesa weiterhin die Entwicklung beeinflussen. Siemens Energy erwartet einen weiteren bereinigten Verlust von rund zwei Milliarden Euro im Windgeschäft aufgrund von Qualitätsproblemen, Anlaufschwierigkeiten und höheren Kosten. Der Verkauf der neuen Landturbine 5.X ist derzeit ausgesetzt, im Offshore-Bereich wird sich das Unternehmen vorerst auf den Hochlauf der Fabriken konzentrieren. Aufträge sollen selektiver angenommen werden. Aufgrund dieser Umstände rechnet Siemens Energy mit niedrigen Auftragseingängen in der Windsparte. Die Gewinnschwelle für Gamesa wird Vorstandschef Christian Bruch erst im Geschäftsjahr 2025/26 sehen.
Trotz der belastenden Situation sieht Bruch "gute Fortschritte" bei Gamesa. Weitere Details sollen am 21. November auf einem Kapitalmarkttag veröffentlicht werden. Dabei wird der Umfang der Geschäfte der Windkraftsparte überprüft werden, wobei sich das Unternehmen auf bestimmte Regionen und Produkte konzentrieren will. Die Windkraft als Ganzes steht jedoch nicht zur Disposition, auch nicht im Onshore-Bereich.
Siemens Energy wies im letzten Geschäftsjahr einen Verlust nach Steuern von knapp 4,6 Milliarden Euro aus, im Vergleich zu einem Minus von 712 Millionen Euro im Vorjahr. Im vierten Geschäftsquartal betrug der Verlust nochmals 870 Millionen Euro. Die restlichen Geschäfte des Unternehmens laufen solide, können die Verluste im Windbereich jedoch nicht ausgleichen.
Der Auftragseingang bei Siemens Energy lag im abgelaufenen Geschäftsjahr bei rund 50 Milliarden Euro, etwa ein Drittel höher als im Vorjahr. Der Auftragsbestand wuchs auf 112 Milliarden Euro an.
Für das neue Geschäftsjahr erwartet Siemens Energy durch den Verkauf von Geschäftsteilen einen Mittelzufluss von 2,5 Milliarden bis 3,0 Milliarden Euro und einen Gewinn nach Steuern von bis zu einer Milliarde Euro. Die bereinigte Ergebnismarge soll bei minus zwei bis plus einem Prozent liegen. Bis 2025/26 strebt das Unternehmen Verbesserungen an und peilt eine Ergebnismarge von fünf bis sieben Prozent an.
Analyst Simon Toennessen von Jefferies äußerte Kritik am Ausblick des laufenden Geschäftsjahres, insbesondere in Bezug auf Marge und Mittelflüsse. Hingegen sieht Philip Buller von Berenberg positive Anzeichen bei Gamesa und glaubt, dass der Höhepunkt der Verluste und negativen Schlagzeilen hinter dem Unternehmen liegt.