Krisenmanagement trotz Rekordjahr
Für Siemens Energy hätte 2024 ein Triumphzug werden können. Mit einem Auftragsvolumen von 120 Milliarden Euro, einer explosionsartigen Kursentwicklung und internationalem Ansehen scheint der Konzern endlich die Probleme der vergangenen Jahre hinter sich gelassen zu haben. Doch während der Aktienkurs jubelt, herrscht in den Führungsetagen Ernüchterung.
Der Grund: Staatliche Bürgschaften, notwendig, um die milliardenschweren Großprojekte zu finanzieren, kommen mit harten Auflagen. Siemens Energy darf weder Boni auszahlen noch Dividenden ausschütten, solange die Bundesgarantien bestehen. Für das Management ein bitterer Schlag, denn die flexiblen Vergütungsbestandteile machen normalerweise bis zu 80 Prozent der Gehälter aus.
Spitzenkräfte im Niedriglohnsektor
Vorstandschef Christian Bruch, der den Konzern nach der Windkraftkrise zurück in die Erfolgsspur brachte, erhält für das erfolgreichste Geschäftsjahr in der Unternehmensgeschichte lediglich seine Grundvergütung: 1,56 Millionen Euro.
Das klingt nach viel, ist aber für einen international agierenden Konzern mit 100.000 Mitarbeitern im Vergleich zu Branchenkollegen wie Hitachi oder General Electric äußerst gering.
Auch seine Vorstandskollegen müssen sich mit reduzierten Vergütungen zufriedengeben. In einigen Fällen bleiben nach Abzug von Fixgehältern und Nebenleistungen knapp eine Million Euro – ein Betrag, der im internationalen Wettbewerb kaum konkurrenzfähig ist. „Das ist Niedriglohn für das Top-Management eines globalen Marktführers“, kommentiert ein Brancheninsider.
Bleibeprämien und juristische Fallstricke
Um den drohenden Exodus seiner Führungskräfte zu verhindern, plant Siemens Energy eine kreative Lösung: sogenannte Bleibeprämien. Diese bestehen aus drei Komponenten: einer Einmalzahlung, Aktienzusagen und einer zusätzlichen Prämie, falls die Bundesgarantien vorzeitig abgelöst werden können.
Ziel ist es, den Vorstand nicht nur im Unternehmen zu halten, sondern auch Anreize für eine langfristige Bindung zu schaffen.
Doch das Vorhaben ist heikel. Die Bundesregierung, die die Auflagen zur Vergütungsbeschränkung erlassen hat, wird genau prüfen, ob die geplanten Zahlungen nicht als Umgehung der Vorgaben gewertet werden können. Auch rechtliche Streitigkeiten mit Aktionären sind nicht ausgeschlossen.
Die Konsequenzen eines Managementverlusts
Ein Abgang von Schlüsselkräften wäre für Siemens Energy ein Rückschlag mit weitreichenden Folgen. „Das Unternehmen hat in den letzten Jahren an Glaubwürdigkeit und Marktposition gewonnen – vor allem durch die Führungskompetenz von Bruch und seinem Team“, erklärt ein Unternehmensanalyst. Ein Wechsel zu Konkurrenten wie General Electric würde nicht nur Expertise kosten, sondern auch strategische Rückschläge nach sich ziehen.
Politik und Wirtschaft im Spannungsfeld
Die strengen Auflagen der Bundesregierung werfen Fragen auf. Während Avalgarantien ein übliches Instrument im Energiesektor sind, hat das Bundeswirtschaftsministerium die Bürgschaften mit außergewöhnlich harten Bedingungen verknüpft. Kritiker wie Aufsichtsratschef Joe Kaeser bemängeln, dass Siemens Energy wie ein Subventionsfall behandelt wurde – trotz voller Auftragsbücher und glänzender Perspektiven.
„Die Politik darf nicht vergessen, dass wir hier nicht nur um Gehälter sprechen, sondern um die Wettbewerbsfähigkeit eines Vorzeigeunternehmens“, betont Kaeser.
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