19. November, 2024

Wirtschaft

Selbstständigkeit in der Krise: Warum immer mehr Freiberufler aufgeben

Freiberufler und Kleinunternehmer kämpfen in Deutschland mit wirtschaftlicher Unsicherheit, hoher Bürokratie und stagnierenden Aufträgen. Der historische Tiefstand bei der Selbstständigkeit lässt sich nicht nur durch die Konjunktur erklären.

Selbstständigkeit in der Krise: Warum immer mehr Freiberufler aufgeben
Mit einem Anteil von nur 8,4 Prozent an allen Erwerbstätigen verzeichnet Deutschland 2023 den niedrigsten Stand an Selbstständigen seit den 1990er-Jahren – ein Alarmsignal für die wirtschaftliche Vielfalt.

Es läuft nicht gut für Deutschlands Selbstständige. Architekten, Gastronomen, Handwerker und viele Freiberufler mehr haben mit sinkenden Aufträgen, steigenden Kosten und wachsender Bürokratie zu kämpfen.

Der aktuelle Jimdo-Ifo-Index für Selbstständige zeigt ein düsteres Bild: Mit minus 18,4 Punkten erreicht die Stimmung einen Tiefstand. Wer seinen eigenen Betrieb führt, sieht mehr Wolken als Licht am Horizont.

Schlechte Zahlen, noch schlechtere Aussichten

Im August hat sich das Geschäftsklima für kleine Unternehmen und Freiberufler weiter verschlechtert. Die Unsicherheit in der Gesamtwirtschaft trifft vor allem jene, die auf Aufträge großer Unternehmen oder auf das Kaufverhalten von Verbrauchern angewiesen sind.

„Die Selbstständigen können sich dem Abwärtssog der Gesamtwirtschaft nicht entziehen“, erklärt Ifo-Expertin Katrin Demmelhuber.

Besonders kritisch ist die Lage im Baugewerbe und in der Industrie, wo hohe Energiekosten das Geschäft belasten. Nur der Tourismus zeigt sich als kleiner Lichtblick.

Historischer Tiefstand bei Selbstständigen

Die Probleme sitzen tief: Die Zahl der Selbstständigen in Deutschland hat 2023 einen historischen Tiefstand erreicht. Mit nur noch 8,4 Prozent der Erwerbstätigen ist die Selbstständigkeit auf dem niedrigsten Niveau seit Jahrzehnten.

Das Gesetz gegen Scheinselbstständigkeit, eigentlich für andere Branchen gedacht, erschwert vor allem IT-Freelancern ihre Arbeit – ein Bürokratiemonster, das Flexibilität erstickt.

Mitte der 1990er-Jahre lag der Anteil noch fast doppelt so hoch. Und es sind nicht nur ökonomische Gründe, die das unabhängige Arbeiten unattraktiv machen. Bürokratische Hürden, wie das umstrittene Gesetz gegen Scheinselbstständigkeit, setzen Freiberufler zunehmend unter Druck.

Zwischen Bürokratie und Auftragsflaute

Ein Hauptproblem für viele Selbstständige ist die wachsende Bürokratie. Gesetze gegen Scheinselbstständigkeit, die eigentlich Uber-Fahrer treffen sollten, machen es für IT-Freelancer oder Architekten immer schwerer, ihre Arbeit flexibel und ohne Angst vor Strafen auszuführen.

„Solo-Selbstständige fühlen sich häufig unter Generalverdacht“, sagt Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft.

Hinzu kommen gestiegene Sozialversicherungskosten für Kinder von Selbstständigen und die Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden.

Engagement ohne Anerkennung

Interessant ist, dass viele Selbstständige trotz der widrigen Umstände weiterhin hohe Stunden leisten und besonderes Engagement zeigen – unabhängig davon, ob ihr Einkommen hoch oder eher niedrig ist.


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Doch der Frust wächst, wenn das Engagement nicht mehr ausreicht, um die wirtschaftliche Unsicherheit zu überbrücken. „Die Rahmenbedingungen werden als nicht gut wahrgenommen“, fasst Schäfer zusammen.

Ein wirtschaftlicher Rückschlag für Deutschland?

Der Rückgang der Selbstständigen könnte sich langfristig auch negativ auf die deutsche Wirtschaft auswirken. Selbstständige bieten Flexibilität, die Unternehmen in Zeiten schwankender Auftragslagen dringend benötigen.

Wenn immer mehr Freiberufler aufgeben, könnte die wirtschaftliche Dynamik darunter leiden. Besonders in Branchen wie dem Baugewerbe oder der Gastronomie, wo die Auftragslage stark von kurzfristigen Schwankungen abhängt, sind Selbstständige ein wichtiges Instrument, um Arbeitskräfteengpässe auszugleichen.