Während der Präsidentenpalast von Baabda seit Oktober 2022 leer steht, würden viele erwarten, dass die libanesischen Politiker schnell einen Nachfolger finden. Schließlich endet die Amtszeit von Michel Aoun, und das politische Vakuum bleibt ein ungelöstes Rätsel. Trotz mehrerer gescheiterter Anläufe wurde im Januar 2023 erneut versucht, einen Präsidenten zu wählen. Die anstehenden Wahlen wurden von hohen Erwartungen beherrscht, da die libanesische Hisbollah-Fraktion, geschwächt durch ihre Konflikte mit Israel und den Zusammenbruch des Assad-Regimes in Syrien, an Einfluss verloren hatte. Die Chancen für den Armeechef, General Joseph Aoun, galten als vielversprechend. Doch kurz vor dem entscheidenden Urnengang warnen dessen Vertraute, dass die Unterstützung möglicherweise nicht ausreicht. Trotz der politisch eher symbolischen Rolle des Präsidenten, hat das Amt bedeutende Befugnisse, wie die Ernennung von Premierministern. Das Machtgleichgewicht in der libanesischen Politik wird oft dadurch widergespiegelt, wer als Präsident gewählt wird. Die frühen Abstimmungen waren müde Versuche, bei denen etliche Parlamentarier für nicht wählbare Kandidaten stimmten. Der israelische Waffenstillstand von Ende November schwächte die Popularität der Hisbollah weiter. Der Weggang früherer Schlüsselfiguren der Gruppe führte zu internen Umstrukturierungen – ein Umstand, der die Chancen von General Aoun weiter verbessert. Die Hisbollah sieht sich unter wachsendem Druck, Veränderungen zuzulassen, vor allem angesichts der Geldnot in der libanesischen Nachkriegsgesellschaft. Der plötzliche Rückzug von Suleiman Frangieh verschafft General Aoun weiteren Raum, auch wenn mächtige Gegner wie Gebran Bassil bleiben. Dennoch: Selbst ein reformorientierter Präsident könnte im tief verankerten politischen Filz des Libanon wenig bewirken. Die Herausforderungen sind beachtlich, sollten jedoch nicht nur auf die Rolle der Hisbollah reduziert werden.