Wo früher Gold geschürft wurde, entsteht ein neues Industrieherz
Ein paar Meilen östlich von Reno, dort wo früher Goldminen die Erde aufrissen, steht heute ein Chemielabor, das kaum jemand kennt. Kein Schild, keine Werbung, keine Besucher. Drinnen hält Adam Kirby, Projektmanager bei Redwood Materials, eine kleine Ampulle mit schwarzem Pulver in die Höhe.
„Black gold“, sagt er. Und meint kein Öl.
Das Pulver in seiner Hand ist Cathode Active Material, kurz CAM. Es ist das, was moderne Batterien überhaupt erst leistungsfähig macht – und rund 60 % ihres Wertes ausmacht. Ohne CAM fährt kein E-Auto. Und genau dieses Material will Redwood Materials nun in den USA herstellen. Aus recyceltem Elektroschrott.
JB Straubel, der Tesla-Flüsterer
JB Straubel ist kein Gründer, der Interviews gibt oder sich auf Bühnen stellt. Als Technikchef bei Tesla hat er sich im Hintergrund gehalten. Jetzt ist er zurück. Mit einer Mission, die technischer kaum sein könnte – und wirtschaftlich kaum größer: eine eigene Rohstoffversorgung für die Elektromobilität aufbauen. Lokal, nachhaltig, im Kreislauf.

Seit der Gründung 2017 hat Redwood rund 2 Milliarden Dollar eingesammelt. Investoren wie Goldman Sachs, Amazon und Baillie Gifford glauben an die Vision. Und sie kommt zur richtigen Zeit. Die USA wollen unabhängig werden von chinesischen Lieferketten – besonders bei Batteriematerialien.
Straubel liefert genau das.
Recycling in XXL
Redwood recycelt bereits über 70 % aller Lithium-Ionen-Batterien Nordamerikas. Alles, was an alten Akkus, Smartphones oder Laptops abgegeben wird, landet irgendwann in Sparks, Nevada. Auf einem 300-Hektar-Areal werden die Altgeräte in aufwendigen Verfahren zerlegt, erhitzt, gefiltert und in ihre Einzelteile zerlegt.
Nickel, Lithium, Kobalt – alles wird zurückgewonnen. Und zwar so sauber, dass die Rohstoffe direkt in neue Batterien wandern können.
Das Besondere: Redwood will nicht nur recyceln, sondern die wertvollste Komponente direkt vor Ort herstellen: CAM.
CAM: Ein Pulver mit Milliardenwert
Bisher wird CAM fast ausschließlich in Asien produziert – in China, Korea, Japan. Redwood will das ändern. Ab 2026 soll das Pulver im industriellen Maßstab in Nevada hergestellt werden. Die Anlage dafür steht schon. Riesig, weiß, klimatisiert – daneben wirken Bagger wie Spielzeugautos.

Wenn alles wie geplant läuft, wird Redwood jährlich 100 Gigawattstunden CAM produzieren, genug für 1,3 Millionen Elektroautos.
Der Markt ist da. Die Nachfrage ist da. Und die ersten Kunden auch: Toyota und Panasonic haben bereits langfristige Lieferverträge unterschrieben.
Kein Greenwashing – echte Chemie
Das Verfahren ist technisch komplex. CAM muss in einer ganz bestimmten atomaren Struktur vorliegen, damit es in Batterien funktioniert. Kleinste Verunreinigungen oder Fehler machen das Pulver unbrauchbar.
Deshalb hat Redwood eigene Labore, Testanlagen und eine kleine Pilotfabrik aufgebaut. Dort wird jeder Schritt durchgespielt, bevor er in der großen Anlage hochgefahren wird.
„Das sieht am Ende aus wie schwarzes Pulver in einem Sack“, sagt Cal Lankton, Chief Commercial Officer. „Aber was da an Technik und Know-how drinsteckt, ist extrem anspruchsvoll.“
Recycling als Wettbewerbsvorteil
Das Geschäftsmodell geht weit über Umweltschutz hinaus. CAM aus recyceltem Material ist billiger, sauberer und schneller verfügbar als frisch abgebautes. Redwood gibt an, 80 % weniger Energie zu brauchen, 70 % weniger Emissionen zu erzeugen und 80 % weniger Wasser zu verbrauchen als herkömmliche Rohstoffgewinnung.
Und: Die Lieferkette bleibt im Land. Kein Material muss 50.000 Kilometer um die Welt reisen, um verarbeitet zu werden.
Diese Effizienz ist ein wirtschaftlicher Vorteil – nicht nur ein ökologischer.
Der Müll der einen ist das Kapital der anderen
Redwood bezieht seine Altbatterien aus verschiedenen Quellen: Ausrangierte E-Auto-Batterien, Produktionsreste aus Gigafactories, alte Smartphones. Verträge bestehen mit praktisch allen großen Herstellern: Ford, VW, GM, Amazon, BMW. Redwood bezahlt sogar für den Elektroschrott – weil es sicher ist, dass sich daraus mehr Geld machen lässt.
Vor der Anlage stapeln sich deshalb ausgediente Batterien – fein säuberlich sortiert, mit Sicherheitsabstand, weil einige noch Restladung haben. Der Anblick wirkt bizarr: ein moderner Rohstoffhof, der aussieht wie ein riesiger Wertstoffplatz der Zukunft.
Nicht alles klappt – aber das ist Teil der Strategie
Redwood wollte ursprünglich auch Kupferfolie herstellen – ebenfalls ein zentraler Bestandteil von Batterien. Doch als der Markt unter chinesischen Dumpingpreisen zusammenbrach, zog Straubel die Reißleine. Produktion gestoppt. Verluste begrenzt.
„Wir sind keine Dogmatiker“, sagt Lankton. „Wenn etwas nicht funktioniert, machen wir etwas anderes.“
Das unterscheidet Redwood von manchem Konkurrenten. Northvolt, ein europäisches Startup, ging kürzlich pleite – nach 15 Milliarden Dollar Investment. Der Fehler: zu viel auf einmal. Redwood bleibt bei den Grundstoffen – nicht bei kompletten Batterien.
Politik trifft Timing
Auch die politische Lage spielt dem Unternehmen in die Karten. Der Inflation Reduction Act der USA fördert lokale Batterieproduktion. Und mögliche Zölle auf Importe machen US-Produktionen wirtschaftlich attraktiver.
Aber Redwood will sich nicht auf Förderungen verlassen. Lankton betont: „Wir müssen wettbewerbsfähig sein – technisch und preislich. Punkt.“
Denn nur wenn das CAM von Redwood genauso gut oder besser ist als das aus Asien, wird es gekauft. Nationalstolz allein reicht nicht. Und bisher scheint das Konzept aufzugehen.