„Philosoph“ statt „Kinderbuchautor“. Mit dieser Wortwahl hat Friedrich Merz eine neue Richtung eingeschlagen – zumindest rhetorisch. Der CDU-Chef, der vor Monaten noch scharfe Spitzen gegen Robert Habeck setzte, scheint sich auf eine mögliche Zusammenarbeit mit den Grünen vorzubereiten.
Es ist eine bemerkenswerte Wende, die viele überrascht und vor allem eines zeigt: Schwarz-Grün könnte mehr sein als ein Gedankenspiel.
Ein Wandel mit Ansage
Noch vor wenigen Monaten war die Botschaft von Friedrich Merz klar: Die Grünen seien weltfremd und hätten keine Ahnung von wirtschaftspolitischen Realitäten. Besonders Habeck geriet ins Visier des CDU-Vorsitzenden, als Merz ihn während eines Parteitags als „Kinderbuchautor“ abkanzelte – eine Aussage, die er nun nicht wiederholen will.
„Das wurde mir als Herabwürdigung ausgelegt, aber so war es nicht gemeint“, erklärte Merz dem Stern.
Stattdessen würdigte er Habeck als „studierten Philosophen und promovierten Literaturwissenschaftler“.
Ein Rückzieher, der offensichtlich Strategie ist. Nach den vorgezogenen Bundestagswahlen steht Deutschland vor einer schwierigen Regierungsbildung, und Schwarz-Grün gilt als eine der wenigen machbaren Optionen.
Bereits seit dem Sommer sollen Geheimgespräche zwischen Merz und der Grünen-Spitze laufen, um mögliche Eckpunkte einer Zusammenarbeit abzustecken.
Die Grünen reagieren abwartend
Auf Seiten der Grünen sorgt der Kurswechsel von Merz für gemischte Reaktionen. Während Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz lobt, dass Merz „zwei Schritte weiter“ sei als CSU-Chef Markus Söder, bleiben viele skeptisch.
Vor allem Habeck selbst hält sich mit Kommentaren zurück. Bayaz betonte jedoch:
„Mit uns kann man immer reden.“
Eine offene Tür, aber keine Garantie.
Die Grünen wissen, dass sie mit einer schwarz-grünen Regierung ihren Einfluss ausweiten könnten – allerdings zu einem hohen Preis.
Die inhaltlichen Differenzen, besonders bei Umwelt- und Sozialpolitik, bleiben erheblich. Merz selbst räumte ein: „Menschlich kommen wir klar, politisch sind wir ziemlich weit auseinander.“
Wagenknecht: Der gemeinsame Gegner
Ein potenzieller Katalysator für eine Annäherung ist die neue Partei von Sahra Wagenknecht. Ihr Erfolg bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hat sowohl Union als auch Grünen gezeigt, dass Protestparteien das politische Gleichgewicht verschieben können.
Für die Grünen ist klar: Ein Bündnis mit der CDU könnte dazu beitragen, Wagenknecht politisch einzudämmen. Bayaz warnte: „Wer sich strategisch an den Grünen abarbeitet, läuft Gefahr, am Ende Sahra Wagenknecht gegenüberzusitzen.“
Auch in der CDU wächst die Einsicht, dass eine klare Linie gegen populistische Kräfte erforderlich ist. Schwarz-Grün könnte ein pragmatischer Weg sein, um stabile Verhältnisse zu schaffen – trotz aller Gegensätze.
Schwarz-Grün: Realistisch, aber schwierig
Ob es tatsächlich zu einer schwarz-grünen Regierung kommt, bleibt unklar. Die Annäherung von Merz mag ein erster Schritt sein, doch sie muss mit konkreten politischen Kompromissen untermauert werden.
Themen wie Klimaschutz, Wirtschaftspolitik und Migration sind potenzielle Zankäpfel. Zudem bleibt die Frage, ob Merz innerhalb der eigenen Partei genügend Rückhalt für eine solche Koalition hat – Söder und die CSU könnten sich als hartnäckige Bremser erweisen.
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