Das Bundesverfassungsgericht hat den zweiten Nachtragshaushalt für 2021 für nichtig erklärt und damit eine Diskussion um eine Reform der Schuldenbremse entfacht. Wirtschaftsexperten wie Friedrich Heinemann vom ZEW in Mannheim und Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, sehen in neuen, klar definierten Verschuldungsfenstern eine sinnvolle Alternative zu den gegenwärtigen verfassungsrechtlichen Grauzonen.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), betont, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zunächst keine unmittelbaren Probleme mit sich bringe, da im Klima- und Transformationsfonds (KTF) ausreichend Gelder für die bisherigen Maßnahmen vorhanden seien. Dennoch plädiert Fratzscher dafür, die Schuldenbremse mindestens ein weiteres Jahr auszusetzen, um die notwendigen Kredite aufnehmen und geplante Maßnahmen finanzieren zu können. Er sieht die Schuldenbremse als hinderlich an, da sie der Politik den nötigen Spielraum nimmt, um Krisen zu bewältigen und dringende Investitionen in Bereichen wie Bildung, Klimaschutz, Innovationen und Infrastruktur zu tätigen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwoch eine Umschichtung von 60 Milliarden Euro im Haushalt von 2021 für verfassungswidrig erklärt. Dadurch darf der Bund die für die Bewältigung der Corona-Krise vorgesehenen Gelder nicht für den Klimaschutz verwenden. Insbesondere der Klima- und Transformationsfonds könnte davon stark betroffen sein, da aus diesem zahlreiche Förderprogramme, unter anderem für den Austausch von Öl- und Gasheizungen, finanziert werden sollten.
Aus Sicht einer transparenten Haushaltspolitik begrüßt ZEW-Wissenschaftler Heinemann das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Er sieht die bisherige Flucht aus den Kernhaushalten von Bund und Ländern als Fehlentwicklung an und betont, dass der Versuch, eine kurzfristige Krise für langfristige Verschuldungsmöglichkeiten auszunutzen, gescheitert sei.
Fuest äußert hingegen Bedenken bezüglich der gegenwärtigen laxen Geldpolitik und zweifelhafter Subventionen. Das Karlsruher Urteil zwinge nun dazu, vieles kritisch zu hinterfragen. Fratzscher stimmt dem zu und fordert, dass die Bundesregierung ihre Hilfen sozial ausgewogener gestalten und Menschen mit mittleren und geringen Einkommen nicht vernachlässigen solle.