Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts hat sich Saskia Esken, Parteichefin der SPD, dafür ausgesprochen, die Schuldenbremse für dieses und das kommende Jahr aufgrund einer Notlage nicht anzuwenden. Durch äußere Einflüsse befänden wir uns weiterhin in einer fortdauernden krisenhaften Situation, so Esken gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Eine Aussetzung würde vorübergehend wieder mehr Spielraum für staatliche Ausgaben schaffen, welcher durch das Karlsruher Urteil in der Vergangenheit eingeschränkt wurde.
Bundesfinanzminister und FDP-Parteichef Christian Lindner hingegen wies den Vorstoß zurück und betonte, dass die neue Rechtsklarheit kein Anlass sei, die Schuldenbremse zu schleifen. Laut Lindner solle die Schuldenbremse gestärkt werden, da man nun gezwungen sei, mit weniger öffentlichen Subventionen die Wirtschaft zu modernisieren. Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai äußerte sich kritisch und betonte, dass die Ausgabenwünsche der SPD keine Notlage im Sinne des Grundgesetzes seien.
Trotz der Kritik erhielt Esken Unterstützung vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und der Chefin der "Wirtschaftsweisen", Monika Schnitzer. Der DGB-Vorstand Stefan Körzell forderte eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse und begründete dies mit den Auswirkungen der Energiekrise, die noch nicht vorbei seien. Auch Monika Schnitzer schloss sich dieser Sichtweise an, betonte jedoch, dass eine Reform der Schuldenbremse während dieser Legislaturperiode unwahrscheinlich sei.
Die Ökonomin Veronika Grimm äußerte hingegen Zweifel an Eskens Vorschlag und betonte, dass eine Aussetzung der Schuldenbremse eine Notlage erfordere, die schwer zu argumentieren sei. Sie rief stattdessen die Regierung dazu auf, Staatshilfen zu kürzen, da zu viele Subventionen vorgesehen seien.
Esken selbst bekräftigte, dass weder beim Klimaschutz noch beim Sozialstaat Einsparungen zugelassen werden sollten. Zusätzlich forderte sie höhere Steuern für Spitzenverdiener, um Mehreinnahmen zu erzielen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte kürzlich untersagt, Corona-Kredite nachträglich für Klimaschutz und die Modernisierung der Industrie umzuwidmen, was zu einem fehlenden Betrag von 60 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds führt. Es ist noch unklar, ob das Urteil auch Auswirkungen auf den Umgang mit schuldenfinanzierten Sondervermögen in Bund und Ländern haben könnte.
Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender, macht Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner persönlich für das Scheitern des Transformationsfonds verantwortlich. Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef, betonte, dass die volle Auswirkung des Urteils noch nicht absehbar sei, aber bereits jetzt klar sei, dass die Schuldenbremse strengstens eingehalten werden müsse. Die Union habe ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die Auswirkungen des Urteils auf die verschiedenen Ausgabentöpfe zu untersuchen.