21. November, 2024

Politik

Schulden und Zerwürfnisse: Die Ampel ist Geschichte

Der Streit um neue Schulden hat die Ampel gesprengt. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigt die Vertrauensfrage an und setzt auf Neuwahlen im Frühjahr – ein bitteres Ende für die „Fortschrittskoalition“.

Schulden und Zerwürfnisse: Die Ampel ist Geschichte
Bundeskanzler Scholz will die Vertrauensfrage stellen und bereitet sich auf Neuwahlen im Frühjahr vor – ein symbolisches Ende für das ambitionierte Bündnis von SPD, Grünen und FDP.

Das Experiment ist gescheitert. Die Ampel, das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP, steht vor dem Aus. Nach nur drei Jahren endet die Koalition im erbitterten Streit um Schulden und finanzielle Grundsätze.

Olaf Scholz, der Bundeskanzler, zieht die Reißleine und plant, im Januar die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Der Weg für Neuwahlen im Frühjahr ist damit frei. „Die Fortschrittskoalition kann so nicht weitermachen“, stellte Scholz am Mittwochabend unmissverständlich klar.

Das Ende einer schwierigen Partnerschaft

Lange wurde gestritten und um Kompromisse gerungen – immer am Rande des Zerwürfnisses. Doch als Scholz zuletzt forderte, die Schuldenbremse zu umgehen, um neue Investitionen zu finanzieren, war für Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner das Maß voll.

„Ich kann das mit meinem Amtseid nicht vereinbaren“, erklärte Lindner und warf Scholz „kalkulierten Koalitionsbruch“ vor.

Die Ampel sei für ihn „am Ende der Kompromissbereitschaft angekommen.“

Lindner sieht die Schuld eindeutig beim Kanzler. Für Scholz jedoch ist Lindner der Verräter. Der FDP-Chef habe „wiederholt mein Vertrauen gebrochen“, so der Kanzler. „Er hat sich in die Büsche geschlagen, wenn es um das Wohl des Landes ging.“

Ohne die umstrittenen Schattenhaushalte fällt der Ampel die Grundlage weg – das Finanzmodell der Koalition scheiterte letztlich an verfassungsrechtlichen Grenzen.

Ein bröckelndes Finanzfundament

Die Ampel-Koalition basierte auf einem gewagten Konstrukt: Sondertöpfe und Schattenhaushalte ermöglichten es, die strikte Schuldenbremse im Grundgesetz zu umschiffen, ohne sie offiziell zu verletzen. Es war ein Balanceakt, der SPD, Grünen und FDP gleichermaßen entgegenkam.

Doch im November erklärte das Bundesverfassungsgericht diese Praxis für verfassungswidrig. Damit fiel die Basis weg, auf der Scholz und Lindner ihre unterschiedlichen Vorstellungen noch irgendwie in Einklang bringen konnten.

Seitdem stieg der Druck in der Koalition, doch eine Einigung blieb aus. Scholz wollte die Regeln erneut lockern, um mit neuen Schulden die Wirtschaft zu stützen.

Lindner hingegen bestand darauf, die Schuldenbremse einzuhalten und den Haushalt ohne zusätzliche Kredite zu planen. Die Spannungen kulminierten in einem Showdown, bei dem schließlich keiner mehr nachgeben wollte.


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Politisches Pokern um die Zukunft

In der Union sorgt der angekündigte Koalitionsbruch für Aufsehen. CSU-Chef Markus Söder fordert Neuwahlen und erklärt: „Die Vertrauensfrage gehört jetzt auf den Tisch, nicht erst im nächsten Jahr.“

CDU-Chef Friedrich Merz zeigte sich zunächst gesprächsbereit, allerdings ohne konkrete Zusagen. Ob er Scholz in zentralen Fragen der Wirtschaft und Verteidigung unterstützen wird, bleibt fraglich. Die CDU scheint eher auf einen schnellen Regierungswechsel zu hoffen.

Die Grünen stehen indes fest an der Seite des Kanzlers. Außenministerin Annalena Baerbock plädiert offen dafür, die Schuldenregel vorübergehend zu lockern und damit die wirtschaftliche und politische Stabilität in Krisenzeiten zu gewährleisten. „Die Zukunft Europas steht auf dem Spiel“, betonte Baerbock eindringlich.

Vertrauensfrage mit ungewissem Ausgang

Für Scholz bleibt der einzige Weg, die Vertrauensfrage zu stellen. In der FDP gibt man sich unversöhnlich. Die Liberalen sind nicht mehr bereit, an einer Regierung festzuhalten, die „finanzpolitische Tabus bricht“, wie Lindner es formuliert. Doch die Frage, wie es weitergeht, bleibt offen.

Neuwahlen könnten Deutschland in eine Phase der Unsicherheit stürzen – mitten in wirtschaftlich turbulenten Zeiten und einem angespannten geopolitischen Umfeld. Dennoch will Scholz den Schritt wagen und sieht darin eine Möglichkeit für einen Neuanfang. Ob es tatsächlich dazu kommt, wird die Bundestagssitzung im Januar zeigen.