Der deutsche Kanzler Olaf Scholz steht vor einer entscheidenden Woche, da er voraussichtlich eine Vertrauensabstimmung im Parlament verlieren wird. Für den SPD-Politiker markiert diese Niederlage jedoch bewusst den Beginn eines geplanten Schritts in Richtung vorgezogener Neuwahlen, nachdem er letzten Monat das Ende seiner Dreier-Koalition erklärt hatte. Der Rauswurf seines bisherigen Finanzministers und FDP-Chefs Christian Lindner am 6. November führte zu einem Verlust der parlamentarischen Mehrheit, da die Grünen als ehemaliger Koalitionspartner nun auf Distanz gehen. Die Differenzen über den Haushalt und die trüben Wirtschaftsaussichten der Eurozone befeuerten diese Entscheidung zusätzlich. Unter der deutschen Verfassung kann nur der Kanzler eine solche Vertrauensfrage stellen, die als Mechanismus zur Auflösung des Parlaments und Einleitung von Neuwahlen dient. Seit 1949 wurde diese Möglichkeit nur fünfmal genutzt, wobei dreimal Neuwahlen folgten. Bekannte Beispiele aus der Geschichte sind Willy Brandt und Helmut Kohl, die beide ihre darauffolgenden Wahlen gewannen, während Gerhard Schröder 2005 Angela Merkel unterlag. Für eine Überraschung könnte allerdings die Ankündigung einiger AfD-Abgeordneter sorgen, die aus taktischen Gründen für den Kanzler stimmen wollen, um die Wahl zugunsten von Friedrich Merz von der CDU zu verzögern. Merz ist laut Umfragen der Spitzenkandidat und befürwortet eine Lieferung von Langstreckenraketen an die Ukraine – ein Schritt, den die AfD ablehnt. Nach der erwarteten Niederlage in der Vertrauensabstimmung und entsprechenden Bestätigung durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier könnte der Wahlkampf für den 23. Februar starten. Die Wähler stehen mitten im Winter vor einer stagnierenden Wirtschaft und möglichen US-Handelssanktionen. Wichtige Wahlkampfthemen werden voraussichtlich die Waffenlieferungen an die Ukraine und die Einwanderungspolitik sein.
Aktuelle Umfragen sehen die CDU mit einem klaren Vorsprung vor SPD, Grünen und FDP. Dennoch wird Merz vermutlich auf eine Koalition angewiesen sein, möglicherweise mit SPD oder Grünen. Scholz indes möchte seine Partei mit einem Fokus auf soziale Themen und Infrastrukturinvestitionen profilieren sowie mit einer defensiveren Haltung gegenüber Waffenlieferungen an die Ukraine im Vergleich zu Merz.