18. November, 2024

Politik

Scholz ruft Putin an: Ein Schritt zu viel?

Olaf Scholz bricht nach zwei Jahren Funkstille das Schweigen und telefoniert mit Wladimir Putin. In der Ukraine sorgt das Gespräch für scharfe Kritik.

Scholz ruft Putin an: Ein Schritt zu viel?
Selenskyj wirft Scholz vor, mit dem Anruf bei Putin dessen Isolation zu durchbrechen – und damit Russlands Position zu stärken.

Ein Anruf, der polarisiert

„Die Büchse der Pandora ist geöffnet.“ Mit diesen Worten reagierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf den Anruf von Olaf Scholz bei Wladimir Putin.

Es war das erste Gespräch der beiden Staatschefs seit fast zwei Jahren. Was für Scholz wie ein diplomatischer Vorstoß wirken sollte, kam in der Ukraine gar nicht gut an. Dort sieht man in dem Anruf einen Schritt, der Putins Position stärkt, anstatt sie zu schwächen.

Warum jetzt?

Der Zeitpunkt des Telefonats ist kein Zufall. In wenigen Tagen reist Scholz zum G20-Gipfel nach Brasilien, wo auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow erwartet wird. Scholz wollte offenbar vorab ein Signal setzen, dass Deutschland trotz militärischer Unterstützung für die Ukraine den Dialog mit Moskau nicht aufgibt.

Doch viele fragen sich: Was genau wollte der Kanzler erreichen? Scholz soll Putin aufgefordert haben, den Krieg zu beenden und seine Truppen zurückzuziehen.

Der Kreml zeigte sich unbeeindruckt und sprach stattdessen von „neuen territorialen Realitäten“, die anerkannt werden müssten. Eine klare Absage an Friedensgespräche zu Kiews Bedingungen.

Putin bleibt bei bekannten Forderungen: Jede Verhandlung müsse die Annexion ukrainischer Gebiete anerkennen – eine rote Linie für Kiew.

„Reden allein beeindruckt Putin nicht“

Auch in Deutschland stößt der Anruf auf geteilte Meinungen. FDP-Fraktionsvize Michael Link erklärte, dass Appelle an Putin wenig bewirken: „Miteinander reden ist nie falsch, aber man muss das Notwendige sagen. Putin beeindruckt es nicht, ihn abstrakt zum Einlenken aufzufordern.“

Die ukrainische Regierung sieht das genauso. Das Außenministerium in Kiew forderte „konkrete und starke Aktionen, die Putin zum Frieden zwingen“. Gespräche, so heißt es, würden in Moskau nur als Zeichen von Schwäche wahrgenommen.

Ein riskanter Balanceakt

Scholz steht vor einem Dilemma: Während er im Westen als Verfechter der Ukraine wahrgenommen werden möchte, versucht er gleichzeitig, als Brückenbauer aufzutreten. Doch dieser Balanceakt könnte nach hinten losgehen. Kritiker warnen, dass der Anruf Putins internationale Isolation durchbricht – genau das, was der Kremlchef anstrebt.


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Für Selenskyj ist das Gespräch ein klares Eigentor. „Das ist genau das, was Putin will“, erklärte er. Der ukrainische Präsident sieht den Dialog als Versuch Moskaus, den Westen zu spalten und Druck von den Sanktionen zu nehmen.

Die geopolitische Lage verändert sich

Der Anruf kommt in einer heiklen Phase. Nach Donald Trumps Wahlsieg in den USA zeigt sich Russland wieder zu Gesprächen bereit – allerdings nur zu seinen Bedingungen. Putin hat Trump bereits gratuliert und dessen Ankündigung begrüßt, den Ukraine-Krieg durch einen Deal zu beenden. Details zu diesem Plan gibt es allerdings nicht.

Auch in Europa sorgt Trumps Sieg für Nervosität. Viele Regierungen befürchten, dass die USA ihre Unterstützung für die Ukraine zurückfahren könnten. Scholz’ Telefonat mit Putin könnte daher auch ein Versuch sein, in diesem Szenario handlungsfähig zu bleiben.